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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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okay? Ich wünschte, ich könnte dabei sein und zusehen, wie er eine Runde dreht. Aber das kann ich nicht.« Emilios Hände schlossen sich fester um meine. »Wenn ihm irgendetwas passiert …«
    »Etwas passiert ja mit ihm.« Ich befreite mich aus Emilios Griff und ging zu Valentina hinüber. »Genau das ist der Punkt. Und er wird nicht ewig dagegen ankämpfen können. Es war dumm, es überhaupt zu versuchen.« Ich umfasste Valentinas Handgriffe, als könnten sie meinen Händedruck erwidern und mir die Alles-wird-wieder-gut-Versprechen geben, zu denen meine Schwestern nicht in der Lage waren. »Das Mindeste, was wir tun können, ist, ihn sein eigenes Motorrad fahren zu lassen.«
    »Was ist, wenn er verletzt wird?«
    »Er würde es überleben.«
    »Und was ist, wenn nicht?« Emilio ballte die Fäuste, seine Stimme wurde lauter, als er von der Bank aufstand. »Was, wenn er einen Baum mitnimmt? Ein Haus? Einen anderen Menschen? Was, wenn er am Straßenrand stirbt, vollkommen allein, nur weil du es ihm nicht abschlagen wolltest? Was dann, Jude? Du bekommst deinen Willen und er stirbt.«
    Seine Worte prasselten auf mich ein wie scharfkantige Felsbrocken. Unsere ganze gemeinsame Zeit über hatte Emilio nie von Papis Tod gesprochen, und jetzt brüllte er mich an, war völlig außer sich. Es war ein Ausbruch, der aus dem Nichts zu kommen schien, seine Brust und seine Arme wurden davon geschüttelt. Ich schloss die Augen, um die Bilder auszublenden, wie Papi hilflos auf der Straße lag und sich nicht rührte, aber sie ließen sich nicht abstellen, und meine Lunge brannte, und in mir war ein Schrei, der hinauswollte …
    »Es würde dich umbringen«, sagte Emilio. »Diese Schuld verlässt einen niemals. Ich sage dir, diese Sache würde dich bis an dein Lebensende verfolgen.« Seine Stimme brach und wurde zu einem Flüstern, die ganze Wut war plötzlich daraus verschwunden. »Ich könnte es nicht ertragen, mit anzusehen, wie du das durchmachen musst, princesa .«
    Er griff nach meiner Hand, aber jetzt wurde ich von ungeheurer Wut überwältigt. Wut auf meine Schwester, Wut auf den Dämon, Wut über die grausamen Scherze, die das Leben spielt. Mein Herzschlag dröhnte in meinen Ohren, und mein Mund schmeckte nach Kupfer, und ich schubste ihn weg, so fest ich konnte, stieß ihn, bis er rückwärts stolperte und sich an der Werkbank abfangen musste.
    Sein Gesicht fiel in sich zusammen. Ich hasste mich dafür, ihn auf diese Art berührt zu haben, aber es gelang mir einfach nicht, die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben.
    Papi, tot. Papi, fort.
    Denn Motorradfahrt hin oder her, ich wusste, der Moment würde kommen, und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte, niemand, den ich laut genug anbrüllen, niemand, den ich fest genug schubsen konnte, kein Motorrad, das schnell genug gewesen wäre, um das unausweichliche Zugleiten auf die Schwelle des Todes aufzuhalten.
    »Es tut mir leid«, flüsterte Emilio. Das Bedauern in seinem Blick passte zu dem Bedauern in meinem Herzen, schwarz und schwer. »Ich wollte nicht … Ich hab nur … Ich möchte nicht, dass ihm etwas zustößt. Oder dir. Ich mag mir nicht mal …«
    »Raus hier«, sagte ich leise.
    »Jude …«
    »Bitte geh«, flüsterte ich und wandte mich ab, weil ich es nicht länger ertrug, ihn anzusehen, weil mir die zum Schneiden dicke Luft den Atem raubte, weil ich die Last von so viel Leid nicht schultern konnte, und er ging ohne ein weiteres Wort, ohne eine weitere Berührung.
    Ich setze mich dort, wo er gestolpert war, auf die Werkbank, und hielt mir die Ohren zu wie ein Kind. Doch ich versuchte ohne Erfolg, das tiefe Grollen seines Motorrads auszublenden, als es ihn knatternd davontrug.

26
    Der verbeulte orangefarbene Jeep schoss zwei Tage später auf- und abfedernd in unsere Einfahrt. Emilio war nicht aufgetaucht, und während ich Samuel dabei zusah, wie er aus seinem Wagen stieg, wurde mir klar, dass er hier war, um seinem Freund einen Gefallen zu tun, um die Arbeit zu beenden, die Emilio angefangen hatte.
    »Hey, mamí «, sagte er, als ich zu ihm kam. »E hat mich geschickt, um …«
    »Unfassbar. Kann er den Job nicht selbst beenden?«, fragte ich. »Schickt stattdessen dich, um die Drecksarbeit zu erledigen? Wo ist er?«
    Samuel hob die Hand, um seine Augen vor der Sonne abzuschirmen. Oder vielleicht vor mir. »Seh ich vielleicht aus wie seine beschissene Sekretärin?«
    »Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Wir haben gestern Abend zusammen

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