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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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den Tisch knallen. »Ich weiß, es ist vollkommen verrückt. Ich weiß, es hört sich schlichtweg unmöglich an, dass er sich an jede Meile einer Motorradtour erinnert, die vor über dreißig Jahren stattgefunden hat, aber nicht an eine bescheuerte Eissorte. Oder dass er mir sagen kann, was er an dem Tag getragen hat, als er das Motorrad kaufte, aber sich nicht daran erinnert, wie er von dem Trampelpfad am Fluss aus, der bis zu unserem Gartentor führt, nach Hause kommt. Er hilft Emilio das ganze Getriebe auseinanderzunehmen und weiß genau, wie jedes einzelne Teil heißt und wohin es gehört, aber letzte Woche habe ich ihn dabei ertappt, wie er versucht hat, Lourdes mit der Fernbedienung anzurufen. Es ist total schräg, und es ist nicht fair, und es macht uns alle fertig, aber so sind die Dinge jetzt nun mal.«
    Mari putzte sich mit einer zerknüllten Serviette die Nase. »Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm ist. Ich wusste, er hat sich schon öfter verlaufen und hier und da Dinge vergessen. Aber ich … Es tut mir leid. Ich weiß nicht, wie man das wieder in Ordnung bringen kann.« Es war nur ein Wispern, schwach und voller Schmerz, der mir in der Seele wehtat. »Du bist unglaublich. Du gehst so gut mit ihm um, und du hast alles genau richtig gemacht, und ich … ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich habe Angst, Jujube.«
    Diese Mari hatte ich noch nie zuvor zu Gesicht bekommen, diese verletzliche Version des Mädchens, das einst gedroht hatte, eine ganze Familie zu kastrieren. Das wir Abrissbirne genannt hatten, das aus dem Fenster geraucht hatte und sechs- bis siebenstellige Summen für Buchverträge übers Telefon aushandelte.
    Ich drückte unter dem Tisch ihr Knie. Papi war wieder da.
    »Mir gefällt dieser Laden.« Er sah sich um, nahm alles in sich auf. »Ich frage mich, ob sie wohl Minz-Schoko-Eis haben?«
    »Ich glaube, ja.« Ich sammelte unseren Müll zusammen. »Nächstes Mal solltest du das nehmen.«
    Es hatte wieder angefangen zu regnen, und wir halfen Papi in Maris Auto und fuhren zum Haus zurück, während der Himmel dicke, fette Tränen weinte. Erst als wir wieder zu Hause waren, fiel mir auf, dass wir Emilios Himbeereis vergessen hatten.
    Er stand vor uns in der Einfahrt, über und über mit Öl und Schmiere bedeckt, als wir aus dem Auto stolperten. Der Regen rann ihm in die Augen.
    »Sie läuft«, sagte er. »Verflucht noch mal, sie läuft.«

25
    Valentina stützte sich in der Mitte des Schuppens elegant auf ihren Motorradständer, die Hebebühne war hinter ihr verstaut. Emilio sprang auf den Kickstarter und sie erwachte gleich beim ersten Versuch zum Leben. Er gab etwas Gas und ließ den Motor aufheulen, und als er abstieg, lief Valentina weiter, ohne zu stottern.
    »Ich hab’s euch ja gesagt.« Er strahlte über das ganze Gesicht. Er war so stolz wie Valentina selbst und all die Schmetterlinge in meinem Bauch schlugen gleichzeitig mit den Flügeln.
    Papi stieß einen ohrenbetäubenden Jubelschrei aus. Emilio gab ihm High Five, und als er sich zu Mari drehte, warf sie ihm die Arme um den Hals. Man stelle sich vor, eine richtige Umarmung!
    »Ich fass es nicht, dass du das Ding wieder ans Laufen gebracht hast!«, sagte sie. »Hast du Papis Gesicht gesehen, Juju?«
    Ich nickte, und in dem Moment schien ihr plötzlich aufzufallen, dass sie einen unverbesserlichen Vargas-Jungen umarmte. Sie ließ Emilio los und wich einen Schritt zurück. Ihr Mund war noch immer zu einem Lächeln verzogen, aber es verblasste allmählich, und sie strich sich abwesend das T-Shirt glatt.
    Emilio versteifte sich, aber ich wandte meinen Blick Papi zu, der mit einem Ausdruck reiner Glückseligkeit um das Motorrad herumging. Er blieb stehen, legte eine Hand auf sein Herz und die andere auf das Motorrad. Als er aufsah, waren seine Augen feucht.
    »Das bedeutet die Welt für mich, Juju. Emilio. Du … ich kann nicht glauben …«
    Das Motorrad hustete und knatterte, und Papi zuckte zusammen, obwohl der Motor nicht absoff und ausging.
    Bitte sei okay, flipp nicht aus, es ist nur ein bisschen Lärm, es war ein langer Tag für dich …
    »Machen Sie sich keine Sorgen deswegen. Sie gewöhnt sich nur gerade wieder ans Luftholen.« Emilio stellte Valentinas Motor ab. »Der letzte Dreck muss noch raus, und ich denke, wir sollten etwas Lack zum Ausbessern der vorderen und hinteren Kotflügel besorgen. Sie braucht auch einen neuen Sitz. Aber wenn wir erst mal alles angebracht haben, wird sie wieder ganz die Alte sein.

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