Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
Vom Netzwerk:
zurückfinden. Als wäre er da, um meine Tränen zu trocknen, Mond und Sterne wieder aufzuhängen, wenn sie vom Himmel gefallen waren. Als würde er stets der Kluge sein, derjenige mit den richtigen Worten und Versprechen. Als würden wir niemals die Plätze auf dieser Bank tauschen müssen.
    Aber das würden wir. Auf so vielerlei Arten hatten wir es bereits getan. Und egal, wie nahe das Unvermeidliche rückte, ich würde niemals bereit dafür sein, nicht in einem Jahr, nicht in fünf Jahren oder zehn oder hundert. Als er also meinen Arm drückte und mich fragte, was passiert sei, warum ich so traurig aussähe, beichtete ich ihm alles. Gab mich der Illusion hin, es würde immer so zwischen uns sein. Das Alter, das der Jugend half. Die Weisheit, die der Unerfahrenheit den Weg wies. Der Vater, der die Tochter liebte.
    »Emilio und ich haben uns gestern gestritten«, sagte ich.
    »Schon wieder?«, sagte Papi eine Oktave höher als normal. Sogar Pancake hob bei meinen Worten den Kopf, als wollte er sagen: Jude, hast du deinen bekloppten Mist nicht mal für fünf Minuten unter Kontrolle? Du hast die Aufmerksamkeitsspanne eines … sieh doch! Omeingott! HÄSCHEN !
    Pancake trottete in den Garten davon und ich nickte. »Emilio wird nie wieder ein Wort mit mir reden.«
    » Que ? Das bezweifle ich. Was bringt dich darauf?«
    »Ich bin ihm gegenüber ziemlich ausgeflippt. Und dann habe ich ihm befohlen, abzuhauen.«
    »Ah.« Papi streckte die Hand nach seinem Kaffeebecher aus und nahm einen Schluck. Sein anderer Arm lag noch immer kraftspendend auf meiner Schulter. »Das kommt ab und zu vor, querida . Besonders bei den Hernandez-Frauen. Glaub mir, ich muss es wissen.«
    »Du bist keine große Hilfe, viejito .«
    »Nein?« Papi schenkte mir ein warmes Lächeln. »Entschuldige, Juju. Erzähl mir genau, was passiert ist.«
    Ich holte zitternd Luft und versuchte die Bilder zu ignorieren, die in meinem Kopf aufblitzten; Papi, der auf der Straße lag, Emilios Gesicht, nachdem ich ihn weggestoßen hatte. »Im Wesentlichen hat er gesagt, ich solle auf Mari hören und dich nicht Motorrad fahren lassen, weil es gefährlich sei und er sich Sorgen mache und er nicht will, dass ich mich schuldig fühle, falls etwas passiert … was nicht heißt, dass etwas passieren würde, aber … er hat unrecht, Papi.«
    »Er hat nicht unrecht, was die Risiken angeht. Motorräder sind gefährlich, querida . Aber es ist nicht seine Entscheidung – mein Entschluss steht fest. Emilio wird das Motorrad bald fertig haben. Dann werde ich fahren.« Papis Seufzer war schwer, doch im nächsten Moment lächelte er und zupfte an meinen Haaren. »Du hast diesen viejito hier also verteidigt, hm?«
    »Ich habe ihm befohlen, abzuschwirren. Ich meine, er hat immer weiter darauf rumgeritten … Vergiss es. Er hat keine Ahnung, wovon er redet.«
    Ich schloss den Mund, weil es sich plötzlich so anfühlte, als würde ich Emilio verraten, ihn ans Messer liefern. Aber Papi nippte bloß an seinem Kaffee, als sei er gar nicht überrascht oder wütend oder sonst irgendetwas. Ich wartete darauf, dass er es mit einer Handbewegung abtun würde, mir sagte, ich benähme mich albern, und mir versprach, dass schon bald kein Hahn mehr danach krähen würde. Stattdessen stand er von der Werkbank auf, stellte seinen Becher ab und hielt mir die Hand hin.
    »Lass uns einen Spaziergang machen«, sagte er. »Ich habe Mari versprochen, ich würde diese Woche mindestens zweimal zum Fluss hinuntergehen.«
    Mari hatte sich an diesem Morgen schon mit der Morgendämmerung aus dem Haus geschlichen, um zuerst nach Denver zu fahren und sich dann mit ihrer Autorin in New York zu treffen. Sie hatte einen Zettel mit der strikten Anweisung unter meiner Zimmertür hindurchgeschoben, Papi auf keinen Fall Motorrad fahren zu lassen, und sie dreimal unterstrichen.
    »Wie gut kennst du Emilio?«, fragte Papi, während wir den Weg zum Fluss entlanggingen, wie immer begleitet von Pancake. Er würde sich niemals eine Chance entgehen lassen, Fische zu erschrecken.
    »Nicht supergut oder so. Wir sind … Freunde.« Meine Wangen brannten, aber Papi fragte nach unserer Historie, nicht danach, womit ich den Sommer verbracht hatte, nach meinen verbotenen Tagträumen, der Wahrheit in meinem Herzen, die nach wie vor Gültigkeit besaß, egal wie sehr wir uns gestritten hatten. »Er war ein paar Stufen über mir, und er ist früher abgegangen, daher … kenn ich ihn nur von diesem Sommer. Ich weiß nicht viel über

Weitere Kostenlose Bücher