Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
Vom Netzwerk:
Hause waren, küsste Papi mich auf die Stirn und ging nach drinnen, und ich setzte mich den Rest des Tages mit Pancake auf die vordere Veranda. Wir sahen zu, wie die Sonne hinter den Bergen versank, und dann war sie verschwunden, und Pancake legte seinen Kopf in meinen Schoß, und wir seufzten beide. Hunde kannten die Wahrheit.
    Manchmal war ein Seufzer alles, was einem an Kampfgeist geblieben war.

27
    »Habt ihr zwei meinen großen Spaten gesehen?« Papi preschte in dreckverschmierten Jeans in den Schuppen, die Gartenhandschuhe schwarz vor Erde. Er hatte darauf bestanden, an diesem Morgen im Garten zu arbeiten, um mir und Emilio die Gelegenheit zu geben, uns auszusprechen, auch wenn er uns auf der Suche nach Pflanzenerde und Schaufeln und weiteren Werkzeugen, wie jetzt dem Spaten, bereits fünfmal unterbrochen hatte. »Deine Mutter hat ihn vor ein paar Wochen benutzt.«
    Ich konnte mich nicht entsinnen, dass Mom je Gartenarbeit verrichtet hätte, und ich war mir nicht einmal sicher, ob wir einen großen Spaten besaßen, aber Papi entdeckte ihn schließlich in einer Ecke, wo er neben den Rechen hing. Er schleifte ihn mit sich in den Garten und Pancake trottete hinter ihm her.
    Emilio lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen an der Werkbank. Er war seit dem Ausflug nach Santa Fe das erste Mal wieder bei uns, und seine Augen waren dunkel und matt, blutunterlaufen, als hätte er nicht geschlafen. Ich hatte den ganzen Morgen über versucht, die Worte auszusprechen, die in meinem Herzen waren – wie sehr ich es hasste, mit ihm zu streiten. Wie sehr ich es vermisste, in seinen Armen zu liegen. Wie leid mir das mit Danny tat, dass ich verstand, warum er fortmusste, warum er stets hinter der nächsten wunderbaren Sache herjagte. Ich verstand sogar, warum er diese Dinge über Papi und die bohrende Schuld gesagt hatte, die einen nie verlässt.
    Ich verstand, warum er sich wünschte, nicht mit ansehen zu müssen, wie ich das durchmachte. Mich zerriss es ja ebenfalls, ihn diese Last tragen zu sehen.
    Es tut mir leid, dass dein Herz gebrochen wurde.
    Alles davon klang richtig in meinem Kopf, aber ich fand meine Stimme einfach nicht.
    Emilio ergriff stattdessen das Wort. »Was ich gesagt habe, tut mir leid. Über deinen Paps und das Motorrad … ich war wütend. Ich habe es nicht so gemeint.«
    Ich nickte, wartete darauf, dass er fortfuhr. Mein Cousin ist gestorben. Ich hatte nie die Möglichkeit, mich von ihm zu verabschieden. Ich fühle mich immer noch schuldig …
    Aber das war alles, was er mir anbot, und dann gab er einen tiefen Seufzer von sich und kehrte an die Arbeit zurück. Während er in einem Einmachglas mit Schrauben kramte, gab ich vor, einen Karton mit alten Halloweenkostümen zu durchwühlen, Feen und Frösche und Clowns und Darth Vader, aber mein Blick blieb an seinen Armen hängen. Ich hatte mich daran gewöhnt, seine Narben als etwas Geheimnisvolles und zugleich Permanentes zu betrachten, das ebenso Teil von ihm war wie seine wuscheligen schwarzen Haare und die sanften braunen Augen. Aber durch die Geschichte, die mein Vater mir erzählt hatte, erschienen sie mir plötzlich anders. Alles an Emilio war anders, seit wir uns das letzte Mal gesprochen hatten. Es kam mir vor, als sei es Jahre her.
    »Möchtest du was zu trinken?« Ich warf einen Zauberstab und eine gelbblonde Miss-Piggy-Perücke in den Müll und wandte mich zur Tür, wo ich beinah mit Papi zusammengestoßen wäre. Sein Gesicht war panisch verzerrt, seine Fingerknöchel hoben sich weiß vom Stiel des Spatens ab.
    »Ich kann ihn nicht finden, Juju. Ich habe überall gesucht, aber er ist nicht da.«
    »Papi. Schon gut. Du hast ihn doch gefunden. Neben dem Rechen, erinnerst du dich?«
    Er schüttelte den Kopf. »Jemand hat ihn gestohlen. Wir hätten vorsichtiger sein müssen, Juju!«
    »Du hältst ihn in der Hand. Sieh doch.« Ich streckte die Hand nach dem Spaten aus, aber er riss ihn mir weg und rannte wieder zurück in den Garten.
    Es war offensichtlich, dass Papi nicht länger von Gartengeräten sprach. Das vertraute Grauen drehte mir den Magen um, und ich zählte bis zehn und wartete darauf, dass es vorbeiginge, dass die Schluss-mit-dem-Unsinn-Ruhe mich überkam, die mich dazu bewegen würde, nach draußen zu marschieren und alles wieder in Ordnung zu bringen, so wie ich es in der Eisdiele getan hatte.
    Aber dieses Mal blieben meine Nerven zum Zerreißen gespannt. Meine Arme und Beine fühlten sich kalt an, meine Knochen schwach und steif.

Weitere Kostenlose Bücher