Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
Vom Netzwerk:
an der Reihe zu sein. So als würde alles wieder gut, wenn ich nur schnell und weit genug davonführe. Aber ich sage dir, dieser Sommer hat die Dinge verändert. Alles hat sich verändert. Ich habe es nicht mal kommen sehen. Du …«
    Er musterte mich in der staubigen Luft mit schmalen Augen, sein prüfender Blick ließ gleißende Funken in meinem Bauch aufstieben. »Du weißt nicht mal, wovon ich rede, oder?«
    Die Funken in meinem Innern fielen in sich zusammen und erloschen, wie die Freudenfeuer vom vierten Juli in der Bowl. Ich schüttelte den Kopf, verschloss die Augen vor der Wahrheit. Sie war zu gewaltig, zu unmöglich.
    »Mach die Augen auf, Jude. Sieh mich an. Sag etwas.«
    Ich öffnete sie. Sah ihn an. Sagte etwas. »Angst. Du hast recht. Ich habe total Angst vor allem.«
    Pancake gähnte und legte seinen Kopf auf meinen Fuß und einfach so durchströmte mich dieses merkwürdige Gefühl von Frieden. Es war, als hätte ich die ganze Zeit schon nur diese Worte aussprechen müssen, es laut zugeben müssen, und alles würde sich finden. Ich blinzelte ein paar Tränen weg und Emilio lächelte. Wahrhaftig, von Herzen kommend, sanft.
    Wir setzten uns zusammen auf die Bank. Er legte seinen Arm um mich und rieb beruhigend meinen Rücken und eine ganze Weile verharrten wir so. Atmeten einfach, genossen es einfach, einträchtig nebeneinanderzusitzen.
    »Danny Vargas«, sagte Emilio schließlich. Seine Stimme war leise und weich, voller Ehrerbietung. »Er war neunzehn, genau wie ich jetzt. Er war Vegetarier, okay? Sehr unpopulär in einem puerto-ricanischen Haushalt. Konnte ums Verrecken nicht buchstabieren. Benutzte seit der Siebten dasselbe Aftershave. Liebte Comics. Guckte nie Fernsehen. Er war immer draußen, bei jeder Gelegenheit, schnupperte an Bäumen oder jagte Tieren hinterher.«
    Ich lächelte, als ich an das Foto in Emilios Zimmer denken musste.
    »Er wartete darauf, dass ich meinen Abschluss machte«, erzählte Emilio weiter. »Wir planten, direkt danach gemeinsam auf Tour zu gehen. Als er starb, wollten alle, dass ich mit dem Motorradfahren aufhöre – alle bis auf Ma. Sie sagte, es wäre nicht das, was Danny gewollt hätte. Sie ließ nicht zu, dass ich die Maschine verkaufte. Jedes Mal, wenn ich sie mit einem Schild vors Haus stellte, schleifte sie sie zurück in die Garage. Jetzt bin ich froh darüber, aber, weißt du … ein paar Leute aus meiner Familie reden deswegen nicht mehr mit uns.« Sein Arm hielt mich fester, sein Atem war schwer in meinen Haaren.
    »Auf seiner Beerdigung habe ich ihm ein Versprechen gegeben«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob er es gehört hat oder so. Aber ich habe ihm versprochen, ich würde die Tour trotzdem machen, mir all die Dinge ansehen, über die wir geredet hatten. Ich habe ihm gesagt, ich würde aufbrechen, sobald ich mit der Schule fertig wäre und genug Geld gespart hätte. Ich brauchte eine Auszeit, verstehst du, musste meinen Kram auf die Kette kriegen. Ich habe die Highschool online abgeschlossen. Ich wollte diesen Sommer endlich aufbrechen, alles sehen. Ich dachte, es gäbe für mich nichts anderes zu tun, nichts, für das es sich zurückzukommen lohnte.«
    Emilio zitterte und ich nahm seine Hand und presste sie an meine Lippen. Das war mehr, als er mir je über seine Familie, sein Leben anvertraut hatte. Ich wollte nicht, dass er aufhörte.
    »Du hättest ihn geliebt«, sagte Emilio. »Er war verrückt. Er hat das Gleiche immer von mir behauptet, aber er war ebenfalls loco . Ich schätze, das waren wir beide. Wir lachten ständig über irgendwas, stellten ständig irgendwelche verrückten, hirnverbrannten Sachen an oder …«
    »Warte kurz.« Ich sprang auf und sah zu Pancake hinüber. Er hatte seinen Knochen fallen lassen und presste jetzt tief knurrend die Schnauze gegen den Boden, das Fell vom Nacken bis zum Schweif gesträubt. Ich hatte ihn erst einmal so erlebt – wir waren im Wald gewesen und über einen Koyoten gestolpert, hatten ihn von hinten kommend aufgescheucht.
    »Pancake?«, sagte ich.
    Er knurrte wieder, lauter diesmal. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, aber er preschte aus dem Schuppen, flitzte quer durch den Garten und zur Hundeklappe ins Haus hinein. Einen Herzschlag später kam er auf demselben Weg wie eine Kanonenkugel wieder herausgeschossen, bellte und jaulte und raste auf mich zu, als wäre ich ein Kaninchen.
    Ich brauchte eine Sekunde, um zur Schuppentür zu gelangen, und es war genau die Sekunde, in der ein schreckliches Kreischen

Weitere Kostenlose Bücher