Verlieb dich nie in einen Vargas
die Werkbank und setzte mich rittlings auf das Motorrad, dann drehte ich den Zündschlüssel. Ich brauchte sieben Versuche, um den Motor mithilfe des Kickstarts anzuwerfen, und hielt zwischendurch immer wieder inne, um die unmöglichen Shorts aus der Poritze zu zupfen, aber endlich hatte ich es. Valentina knatterte unter mir, heiß darauf, nach einer dreißigjährigen Ruhepause auf die Straße zurückzukehren.
Papi hatte recht – es war der Klang purer Glückseligkeit.
Niemand hörte ihn außer mir.
Ich konnte mich nicht mit meinen Schwestern wegen des Verkaufs anlegen. Papi musste sich jetzt auf wichtigere Dinge konzentrieren, und das Geld würde helfen, und es war schließlich nicht so, als hielte das Heim eine Motorradgarage für die Ex-Biker-Klientel bereit, nur für den Fall, dass einer ihrer Patienten eine Runde auf den alten Mädchen drehen wollte.
Ich zupfte den Umschlag zwischen den Handgriffen hervor. Er war schwerer, als ich erwartet hatte, und dick, weil sich darin ein Brief und ein Anhänger befanden. Ich nahm den Zettel zuerst heraus. Er war zerknittert und weich, als wäre er vor Jahrzehnten geschrieben worden und nicht vor Stunden. Er sah aus wie etwas aus dem Buch, wo er auch landen würde, ans Ende der vielen Geschichten gebrochener Herzen geheftet.
Es war unser Vermächtnis, Hernandez-Schwestern und unsägliche Vargas-Brüder. Mari hatte die ganze Zeit über recht gehabt, und nun war auch mein Herz von einem Vargas gebrochen worden, selbst wenn er es nicht absichtlich getan hatte. Selbst wenn er mein Herz zuerst gerettet hatte.
Das Resultat war dasselbe.
Ich faltete den Brief auseinander.
J.
Hey. Mit der Maschine sollte alles so weit okay sein.
Wenn Probleme auftauchen, ruf Duke oder Samuel an. NICHT Marcus – er ist ein bisschen zu scharf drauf, Dir zu helfen, wenn Du verstehst, was ich meine.
Ich wollte Dich noch ein letztes Mal sehen.
Ich schreibe Dir das hier, weil ich weiß, dass Du noch vor Dich hin schnarchen wirst, wenn ich bei Euch vorbeischaue. Ich hoffe, Du träumst wenigstens was Schönes (von mir, haha). Jedenfalls werden wir uns heute wahrscheinlich nicht sehen, bevor ich aufbreche. Ich fahre direkt nach der Arbeit los. Mein letzter Tag im Duchess.
Ich glaube nicht Ich bin nicht Egal, wie es mit Deiner Familie weitergeht oder mit sonst was
Egal, was passiert
Tut mir leid wegen des Gekritzels. Ich sage Dir jetzt was, das wirklich wichtig ist. Gib dich nicht mit zu wenig zufrieden, okay? Egal, was es ist. Das meine ich ernst. Man bekommt nur diese eine Chance zu leben, soweit ich weiß. Ergreife sie. Selbst wenn Du es nicht mit mir tust.
Mann. Wenn ich weiter so rumphilosophiere, wird Samuel mir ordentlich in den Arsch treten. Das bleibt besser unser kleines Geheimnis.
Du bist in meinen Gedanken. Für immer.
Von Herzen
E.
PS: Ich habe an dem Abend in der Bowl die Blume aus Deinem Haar mitgehen lassen (noch etwas, das Du Samuel nicht verraten darfst, versteht sich). Sorry, aber ich behalte sie. Ich lasse Dir dafür einen fairen Tausch hier. Etwas, das Dich an mich erinnern wird.
PPS: Bereue nichts, princesa.
Ich schüttete den Briefumschlag in meine Hand aus und musterte Emilios fairen Tausch , der im Sonnenlicht glitzerte wie das erste Mal, als ich ihn von seinem Finger hatte baumeln sehen. Der Schlüsselanhänger, die puerto-ricanische Flagge mit dem silbernen Stern, etwas, das mich an ihn erinnern würde. Ich schloss meine Finger darum und machte die Augen zu, spürte das Vibrieren des Motorrads tief in meinen Knochen.
Bereue nichts …
War das überhaupt möglich?
Ich bereute eine Menge. Bereute, dass ich in diesem Moment nicht bei ihm war. Bereute, dass ich nicht mehr Zeit mit Papi hatte verbringen können, bevor er krank wurde, oder dass ich meine Schwestern nicht gebeten hatte, eher nach Hause zu kommen, damit wir alle zusammen sein konnten. Ich bereute sogar, wie sich alles zwischen mir und Zoe und Christina verändert hatte.
Aber am meisten bereute ich, dass ich Emilio nie gesagt hatte, was ich für ihn empfand.
Er hatte recht – wir hatten nur dieses eine Leben. Wir konnten uns den ganzen Tag lang wünschen, dass die Vergangenheit zurückkehrte. Wir konnten uns alte Fotos ansehen und einander immer wieder dieselben alten Geschichten erzählen, aber sie waren bloß das: Geschichten. Erinnerungen. Sie hatten sich ereignet. Und sie mochten wunderbar und unglaublich gewesen sein und unser Leben auf eine Weise verändert haben, wie uns nie wieder etwas
Weitere Kostenlose Bücher