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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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Leuchtfeuer. »Hier drin wird es diesen Sommer ganz schön schmutzig zur Sache gehen.«

4
    Christina hatte große Pläne für diesen Sommer, darunter, möglichst viele Schichten im Witch’s Brew zu übernehmen und die Bergsteiger abzuchecken, die bei uns haltmachten, bevor sie die East Animas in Angriff nahmen. Sie hatte behauptet, all die minutiösen Beobachtungen würden ihr bei ihrem Soziologiestudium in Berkeley zugutekommen.
    Zoe und ich sollten als ihre Rechercheassistentinnen fungieren. In Gänsefüßchen.
    Bis jetzt sah es aus, als hätte Zoe ihren Teil der Abmachung eingehalten – nachdem ich an diesem Morgen im Café eingetroffen war, hatte ich ganze fünf Minuten gebraucht, um ihre Aufmerksamkeit von der Horde Jungs am Tresen abzulenken.
    Ich hatte mich bemüht, genug Zeit mit den Mädels zu verbringen, um meinen BF -Status zu behaupten, sie wissen zu lassen, dass ich nach wie vor zu ihnen gehörte, nach wie vor an sie dachte. Aber die Sache mit Papi wurde allmählich heftiger, und seit er nicht mehr arbeitete, hatte Mom zusätzliche Schichten am NICU in Willow Brush übernommen, was Überstunden für uns alle bedeutete. Ich hatte meine besten Freundinnen seit Wochen nicht gesehen.
    Ursprünglich hatte ich Zoes Einladung nur angenommen, um Emilio etwas zu beweisen – was, das wusste ich nicht –, aber jetzt war ich froh, dass ich es getan hatte.
    »Ihr zwei habt mir gefehlt«, sagte ich. Und das war die reine Wahrheit.
    »Du hast mir auch gefehlt!«, sagte Zoe, und Christina nickte, sonnengebräunt und zum Anbeißen in ihrer lila Witch’s-Brew-Schürze. Auf der Vorderseite, neben ihrem Namensschild, war ein kleines Emblem eingestickt, eine schwarze Hexe vor einem weißen Mond, die auf ihrem Besenstiel ritt.
    »Ich hätte dich so gern angerufen, aber ich wusste nicht …« Christinas Blick schoss kurz zu Papi hinüber, den ich an einem Tisch am Fenster geparkt hatte. Er trug seine Ara ñ as -Lederjacke, die er vor Kurzem wieder ausgegraben hatte. Ihr Lächeln hatte geflackert, als er vorhin in meinem Kielwasser das Café betreten hatte, aber sie hatte sich rasch zusammengerissen und ihm einen Gratis-Blaubeerscone und einen Becher Dark-Moon-Röstung gebracht. Als er sie nach ihren Sommerplänen gefragt hatte, hatte sie vorgegeben, ihn nicht gehört zu haben, und war zurück hinter den Tresen gesaust, um einem nach Koffein lechzenden Bergsteiger zu Hilfe zu eilen.
    Ich stellte meinen eisgekühlten Javakaffee und eine Tüte Salzkaramellen auf den Tisch. »Was ist mit Sand Dunes? Haben wir uns schon auf ein Datum geeinigt?«
    Zoe grinste so breit und strahlend, dass jede einzelne ihrer Zehnmillionen Sommersprossen aufleuchtete und ihre roten Locken auf der Stelle auf und ab zu hüpfen schienen. »Yay! Ich habe dir doch gesagt, sie würde nicht kneifen!«
    Die Worte waren für Christina bestimmt gewesen, aber unsere Lieblingskaffeehexe war vollauf damit beschäftigt, Papi zu beobachten und vor lauter Angst, er könnte womöglich wieder ausrasten, den Atem anzuhalten.
    Ich konnte es ihr nicht verübeln. Als sie Papi das letzte Mal gesehen hatte, hatte er ihr vorgeworfen, ihn vergiften zu wollen.
    Ein Truthahnsandwich. Damit hatte alles angefangen.
    Einer der Freiwilligen beim BHS -Familienpicknick hatte es irrtümlich als Roastbeef etikettiert und Christina hatte es in bester Absicht als solches an Papi weitergereicht.
    Dieser kleine Fehler hatte alles verändert.
    Den Truthahnsandwichvorfall ( TSV ) nannten Mom und ich es später. Alle waren dort und bekamen es mit. Alle Schüler des Abschlussjahrgangs. Eltern. Geschwister. Lehrer. Der Schulleiter.
    Und so reagierten meine Freunde: geschockt. Verwirrt. Verängstigt. Und dann das Schlimmste: mitleidig. Ich hatte ihnen bis dahin noch nichts von der Diagnose erzählt – Mom wollte es so lang wie möglich in der Familie halten –, und innerhalb von fünf Minuten war alles, was mich zu mir machte, ausgelöscht. Ich hatte mich von Jude Hernandez, beste Freundin, Theaterverrückte, Bücherwurm, schlechte Zeichnerin, Kennerin salziger Snacks, in Jude Hernandez, Tochter des Gestörten, verwandelt.
    Er war nicht gestört. Er hatte Alzheimer. Und er mochte keinen Truthahn. Er mochte ihn ganz und gar nicht.
    Genauso wenig wie ich seitdem.
    »Das würde ich um nichts in der Welt verpassen wollen«, sagte ich mit einer gehörigen Portion Enthusiasmus. »Wann fahren wir los?«
    »Am zwanzigsten August«, erwiderte Zoe. »Plus minus einen Tag.«
    Damit blieben uns mehr

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