Verlieb dich nie in einen Vargas
Reihe roter Reißzwecken, die sich von Blackfeather bis nach Kalifornien erstreckten, sich in Klein- und Großstädte hinein und hinaus wanden, von den Bergen bis ans Meer.
Seine Route für die Motorradtour. Das musste sie sein.
Ich schlich ins Zimmer, um sie mir näher anzusehen, und malte mir aus, wie es wäre, hinten auf seinem Motorrad zu sitzen, die Reise mit ihm zu erleben. Es war eine alberne Fantasie, eine, die dieses Zimmer nie verlassen würde, aber einen Augenblick lang prickelten meine Arme und Beine vor Vorfreude, und ich schwöre, ich spürte den Wind in meinem Haar.
Auf dem Schreibtisch unter der Karte stand eine Fotografie in einem Silberrahmen, die meinen Blick gefangen nahm. Zwei Jungen, beide vielleicht um die zehn oder elf. Sie hatten die Arme umeinander gelegt, und da war dieses riesige Echsending – einer von ihnen ließ es kopfüber am Schwanz herunterbaumeln. Der andere war Emilio, die Grübchen verrieten es mir.
Die Jungs waren von oben bis unten mit Schlamm bedeckt, sie trieften praktisch. Es erinnerte mich an unsere Sommer am Fluss, an all die Schelte, die Zoe und ich uns eingehandelt hatten, weil wir nach Würmern gruben und die Erdhörnchen unser Studentenfutter fressen ließen.
»Das sind Emilio und sein Cousin.«
Ich zuckte zusammen, als Susanas Stimme ertönte. »Tut mir leid. Ich wollte nicht … Ich habe das Bad gesucht und bin einfach … Ich habe die Karte und das Foto gesehen.«
Susana kam ins Zimmer und nahm mir das Bild aus den Händen. Sie rieb mit ihrer Schürze über das Glas und starrte einen Moment darauf, ehe sie wieder sprach. Ihre Finger strichen sanft über die Gesichter der beiden.
»Sie sollten eigentlich Laub rechen«, erzählte sie. »Ich hatten jedem von ihnen zehn Dollar versprochen, damit ich etwas Zeit allein im Haus hatte. Stell dir meine Überraschung vor, als sie mit diesem kleinen Drachen zurückkamen. Und sie sahen aus, als wären sie Schlammcatchen gewesen.« Sie lachte. »Ay, Bendito! Ich bekam beinah einen Herzinfarkt.«
»Hast du ihnen erlaubt, ihn zu behalten?«
»Nur lange genug, um das Foto zu knipsen. Er befreite sich aus ihren Händen und rannte davon. Ich sagte, gut, dass wir ihn los sind! Hörten sie auf mich? Nein. Sie jagten hinter ihm her. Ich musste ihnen erzählen, er wäre giftig. Nur eine harmlose Notlüge, stimmt’s?«
Ich lächelte. »Wie alt waren sie da?«
»Emilio war zehn und Danny zwölf.« Sie schüttelte den Kopf. »Sie waren immer schrecklich wild, diese Jungen. Emilio war der schlimmere, dieses Kind hat es gehasst, wenn man ihm sagte, was es zu tun hatte. Er machte sich schon in der ersten Klasse sein Pausenbrot selbst und ging allein zur Schule, und er schleifte Danny überall mit hin, pobrecito . Ritt ihn ständig in die Tinte.« Sie stellte das gerahmte Bild zurück auf den Schreibtisch, rückte es zurecht, bis es genau da stand, wo es hingehörte. »Erzähl ihm das nicht, aber ich bin ihnen immer mit dem Auto gefolgt, damit ich sicher sein konnte, dass sie gut in der Schule angekommen waren.«
»Klingt nach Emilio«, sagte ich. »Er ist so starrköpfig. Oh, aber er hat wirklich wahnsinnig Ahnung von Motorrädern. Ich meine bloß, dass er … Sie wissen schon. Furchtbar unabhängig ist.«
» Sí . Er kann keine fünf Minuten stillhalten, so viel steht fest. Immer schon mit einem Bein zur Tür hinaus, genau wie sein Vater. Ah, aber wir lieben sie trotzdem. Es wäre einfacher, wenn es nicht so wäre, aber was soll man machen?« Susana blinzelte mir verschwörerisch zu.
Emilio hatte über seinen Vater nur erwähnt, dass er in Puerto Rico lebte und es ein irgendwie merkwürdiges Arrangement war. Von Danny hatte ich dagegen noch nie gehört, und ich fragte mich, ob sie sich immer noch nahe standen oder ob Danny wegzogen war wie Emilios Vater und seine Brüder. Ich wollte Susana danach fragen, aber sie schien in ihren Erinnerungen versunken. Ich biss mir auf die Zunge. Keine Familie war immun gegen den Kummer gebrochener Herzen, und es stand mir nicht zu, meine Nase in den von jemand anderem zu stecken.
Susana zupfte spielerisch an meinem Pferdeschwanz. »Okay, cari ñ a . Lass uns nach den beiden sehen, ehe sie alles aufessen, was wir im Schweiße unseres Angesichts gebacken haben.«
»Bist du sicher, dass ich dich nicht mit dem Motorrad nach Hause fahren soll?«, fragte Emilio. Wir standen vor dem Haus, und er lächelte mich so was von breit an, sämtliche Grübchen machten Überstunden.
Ich zeigte mit dem
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