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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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Also echt. Genug Freiwilligendienst.
    Zeit, zum Geschäftlichen zu kommen.
    Ich ging den langen Flur entlang, der das Wohnzimmer mit dem Bad und den hinteren Schlafzimmern verband. Die Wände hingen voll Fotos, Babys wurden zu Teenagern, wurden zu Männern.
    Dem Leben von Susanas Söhnen wurde hier ein Denkmal gesetzt.
    Ich hatte Johnny und Miguel nicht wirklich gekannt. Ich hatte nur vage Erinnerungen an ihr Kommen und Gehen, wie sie meine Schwestern abgeholt und wieder nach Hause gebracht hatten. Es war seltsam, sie jetzt alle an der Wand hängen zu sehen, wo sie vor meinen Augen aufwuchsen: Teddybären, Schulfotos, Fahrradtouren, Angeln im Animas, Schulabschlüsse, Motorcrossräder, Surfen an einer Küste, die wahrscheinlich die von Puerto Rico war.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen, als ich ein vertrautes Augenpaar entdeckte, das aus der Vergangenheit auf mich herabblickte.
    Lourdes in ihrem gelben Abschlussballkleid, lächelnd. Sie hatte sich bei Miguel eingehängt.
    Mir schnürte es die Kehle zu. Ein paar Stunden, nachdem dieses Foto gemacht worden war, hatte Miguel sie weinend und fassungslos auf der Tanzfläche stehen lassen.
    Es gab keine Bilder von Celi und dafür war ich dankbar. Vielleicht hatte Susana sie abgenommen, als sie hörte, dass ich zu ihnen kommen würde. Vielleicht hatte sie sie schon vor fünf Jahren abgenommen.
    Genau wie bei uns gab es nicht viele Bilder, auf denen die Geschwister zusammen abgelichtet waren. Aber Emilio sah seinen Brüdern sehr ähnlich. Sie besaßen alle dieselbe umwerfende Ausstrahlung, das Grübchenlächeln, das mehr Herausforderung als Hallo war. Ihr Charme war nicht zu leugnen.
    Das Bad befand sich hinter der letzten Tür auf der linken Seite. Auf dem Weg dorthin lagen noch vier weitere Zimmer und ich steckte den Kopf zur ersten Tür hinein – Susanas Schlafzimmer. Es war picobello aufgeräumt und mit Blumen übersät – sie waren auf der Bettdecke, den Vorhängen, in einer Vase auf der Kommode. Die Wände leuchteten gelb und sahen aus, als wären sie vor Kurzem gestrichen worden, und ich erinnerte mich an die dazu passenden Farbkleckse auf Emilios Shorts, diejenigen, an denen er nach unserer Fahrstunde gepiddelt hatte. In der hinteren Ecke flackerte auf einem halbhohen Bücherregal eine Heiligenkerze in einem Windlicht. Die übrigen Regalbretter waren mit getrockneten Blumen, gerahmten Fotos und Spielzeug bedeckt – Autos und Flugzeuge, Legosteine. Es sah wie ein Schrein aus und plötzlich kam ich mir wie ein Eindringling vor. Ich ging weiter zum nächsten Zimmer.
    Es war ohne Zweifel ein Jungenzimmer – vielleicht das von zweien, denn es stand ein Stockbett darin –, aber es gab nicht viel her. An den Wänden hingen ein paar Bilder von Models in Bikinis, auf den Regalen stand eine Auswahl an Schulbüchern. Ein alter Computer und Kabel setzten auf dem Schreibtisch Staub an, und ein Modellflugzeug hing von der Decke, aber das war’s auch schon.
    Der nächste Raum wurde als Abstellkammer für alles genutzt, was nirgendwo sonst Platz fand: ein Nähmaschinentisch, Stoffballen, Bastelsachen, Bücher, stapelweise CD s und Videos, Geschenkpapierrollen und Schleifen, Kleider in Plastikfolie von der Reinigung, Kartonschachteln mit wer weiß was drin. Es war fast wie in unserem Schuppen.
    Mit anderen Worten, normal. Vertraut. Harmloses Allerweltszeug von ganz und gar nicht bösen Menschen.
    Ich bewegte mich Zentimeter für Zentimeter auf das letzte Zimmer zu, in dem Bewusstsein, dass es Emilios sein musste. Mein Magen kribbelte bei der Vorstellung, seinen persönlichen Rückzugsort zu sehen, wo er nachts schlief, wo er jeden Morgen aufwachte. Ich hoffte, er hatte nichts Ekliges – z. B. Rosettes Spitzenunterwäsche – auf dem Boden liegen lassen.
    Sein Duft hüllte mich ein, die Lederjacke über dem Schreibtischstuhl, der Weichspüler, den seine Mutter für die Wäsche benutzen musste. Seine Seife, sein Kaugummi, seine Werkzeuge. Sein Zimmer war unordentlich, aber auf eine total entzückende Weise – die Bettdecke war irgendwie über das Bett geworfen worden, ein Stapel gefalteter T-Shirts in Schieflage drohte vom Schreibtisch zu fallen. Auf den Regalen standen alte Motorradhandbücher, und an den Wänden hingen – anstelle der Motorradbräute, die ich erwartet hatte – eine Vielzahl Landkarten. Lauter unterschiedliche Farben, unterschiedliche Arten, manche laminiert, manche mit Knicken und Heftklammern aus Zeitschriften. In der über seinem Schreibtisch steckte eine

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