Verlieb dich nie in einen Vargas
nicht daran, was diese Familie uns angetan hat, aber ich schon. Ich war total vor den Kopf gestoßen. Um nicht zu sagen, verletzt.«
Ich nickte. Ich hätte es ihr sagen sollen. Sie warnen, darauf vorbereiten sollen, irgendwas. Ich hatte meinen Mund gehalten, meine Lieblingsschwester angelogen. Aber wir wussten beide, wo Ehrlichkeit hingeführt hätte; das Motorradprojekt wäre in dem Moment gestorben, als sie eintraf. Sie hätte wahrscheinlich meine anderen Schwestern mit hineingezogen, hätte alle dazu gebracht, mir in Erinnerung zu rufen, was für ein schlechter Mensch Emilio Vargas war.
Die Sache war nur, sie hätte damit falschgelegen. Sie hätten alle falschgelegen. Sie lagen falsch.
»Emilio ist anders«, sagte ich. »Mit ihm ist es nicht so.«
Mari fuhr mit dem Finger den Rand ihres Kaffeebechers entlang. »Als ich euch zwei zusammen gesehen habe, die Art, wie er dich ansieht … es war wie ein Trip in die Vergangenheit zu Celi und Johnny. Ich sah, wie dasselbe dir passierte, und ich bin ausgerastet.«
Ich nahm mir noch ein Plätzchen und dachte an Susana, ihr strahlendes Lächeln, die Art, wie sie über Emilios Scherze lachte und ihn ausschimpfte, weil er versuchte, die Rührbesen abzulecken, bevor wir fertig waren. Johnny und Miguel hatten meinen Schwestern vielleicht wehgetan, sie verdienten es vielleicht, für alle Zeiten auf unserer schwarzen Liste zu stehen. Aber Mari kannte weder Emilio noch seine Mutter noch sonst irgendwen aus dieser Familie. Wie konnte sie Emilio für die unschöne Vergangenheit seiner Brüder bestrafen?
»Ich habe gestern Emilios Mutter kennengelernt«, sagte ich. »Ich nehme an, sie und Mom waren vor der Sache befreundet?«
Mari nickte, als denke sie an jene Zeiten zurück, male sich vielleicht aus, wie alles hätte sein können, wenn Johnny Celi keinen Dolch durchs Herz gejagt hätte. Doch dann trank sie ihren Kaffee aus, stand vom Tisch auf und fegte ihre Plätzchenkrümel in den leeren Becher. »Wie viel hast du Emilio über Papis Zustand erzählt?«
»Wir reden nicht darüber. Aber er hat Papis Stimmungsschwankungen mitbekommen.« Ich verriet ihr nicht, dass Emilio derjenige gewesen war, der Papi während des Tamponvorfalls beruhigt hatte, oder dass er so ziemlich das einzige Nichtfamilienmitglied war, das uns nicht aus Scheu mied. »Ich bin sicher, er kann es sich denken.«
»Er braucht nicht sämtliche Einzelheiten zu kennen, okay? Das geht nur die Familie etwas an. Unsere Familie.« Ihre Augen schimmerten feucht vor Gefühl, aber sie blinzelte die Tränen weg. »Lourdes und Celi sind von der Motorradsache nach wie vor nicht überzeugt.«
»Du hast es ihnen erzählt?« Allein, mir Celis Reaktion vorzustellen, drehte mir den Magen um. Als ich sie im vergangenen Jahr in New York besucht hatte, hatte sie ihr Facebook offen gelassen, und ich hatte gesehen, dass sie Johnny total gestalkt hatte. Und sie hatte immer noch den Ring, den sie in einer Samtschachtel in der obersten Schublade ihrer Kommode aufbewahrte. »Es ist fünf Jahre her, Mari. Ihr habt mich gezwungen, mir die Hände einritzen zu lassen und diesen dämlichen Vertrag zu unterschreiben, und das alles hatte rein gar nichts mit Emilio zu tun. Ich wollte zur Abwechslung nur einmal dazugehören. Ich war zwölf!«
»Ich habe ihnen von dem Motorrad erzählt, nicht von Emilio. Wir skypen heute Abend. Ich habe sie gebeten, sich vor dem Feuerwerk einzuloggen.«
Ich stopfte mir noch ein Plätzchen in den Mund.
»Papi und ich essen in der Stadt«, sagte sie. »Aber du musst ihn um zwei abholen kommen, damit ich an einer Telefonkonferenz teilnehmen kann. Ich werde mein Lager im Witch’s Brew aufschlagen.«
»Aber heute ist Feiertag. Du hast eine Konferenz?«
»New York schläft nicht.« Mari warf sich die Computertasche über die Schulter und beugte sich runter, um Pancake zu tätscheln. Sie bot mir keine weitere Weisheit an, keinen großschwesterlichen Hinweis darauf, wie sie alles wieder in Ordnung bringen würde.
Sie hatte nach dem ersten Tag damit aufgehört, mir zu sagen, dass ich mir keine Sorgen mache solle, und in der kurzen Zeit bei uns war sie bereits um ein Jahr gealtert.
Genau wie ich.
15
Mari hatte in unserer siebzehn Jahre und mehr währenden Beziehung mit vielem recht gehabt: welche Bücher es auf die Bestsellerliste schaffen würden. Das kulinarische Meisterstück, das Pommes frites in dulche de leche getaucht darstellen. Die Anbetungswürdigkeit des Fullbacks der Dillon Panthers mit der
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