Verlieb dich nie in einen Vargas
die es ankommt. Wer ich bin oder wo ich gewesen bin. Was ich sehe, wenn ich dich anschaue. Was ich will.«
Seine Finger strichen meinen Kiefer entlang, sie machten erst an meinem Kinn halt und hoben mein Gesicht zu seinem. Sein Atem war heiß, seine Worte drängend. »Ich verspreche dir dies, Jude Hernandez. Du glaubst, du weißt etwas über mich? Lo siento, mi princesa . Du weißt einen Scheiß.«
Alles in mir bettelte darum, von ihm geküsst zu werden. Ich wollte es, egal wer vielleicht vom Haus aus zusah, egal, welche meiner Schwestern es herausfinden würde, egal, wie viele Schwüre ich brechen oder wann er fortgehen würde …
Aber ich wusste, dass er mich nicht küssen würde. Nicht heute. Nicht so. Es stand in diesem Moment zu viel zwischen uns, all die Worte und Beinahversäumnisse. All das, was möglich gewesen wäre, alternative Zukunftsversionen, die sich in einer unendlichen Spirale vor uns erstreckten, alle auf dem gründend, was in diesem Moment geschah. Ich hielt seinem feurigen Blick stand und dachte an die Fünf-Null, das Halb-und-Halb, die Versprechen, die ich mir im Licht der Morgendämmerung zugeflüstert hatte.
Ich würde eines Tages womöglich sämtliche Erinnerungen verlieren, aber das würde mich nicht davon abhalten, mir welche zu verschaffen.
Glaubst du etwa, du wirst mich kampflos zur Strecke bringen, Demonio? Zeig ruhig, was du draufhast.
Adrenalin schoss durch meine Adern, elektrisierte jeden Nerv, jedes Blutgefäß und jede Zelle. Erfüllt von einem unbändigen Verlangen wollte ich alles auf einmal erleben, alles davon, Leben und Tod, Sex und Liebe und jedes verrückte, unbesonnene, wilde Ding, das mein Herz sich nur vorstellen konnte.
Emilio war immer noch atemlos, er lächelte schief, ein einsames Grübchen blitzte in der Dunkelheit auf wie eine Herausforderung. Die ich annahm.
»Also was willst du, Emilio Vargas? Wirst du es mir verraten?« Ich beugte mich näher, stützte mich mit der Hand auf seinem Oberschenkel ab. Seine Haut war warm durch die Shorts, und als ich meine Lippen an sein Ohrläppchen presste, schnappte er nach Luft. »Oder muss ich dich erst zum Reden bringen?«
Emilio schluckte schwer. Ich war ihm immer noch so nahe, zwischen uns war alles warm, und ihm war entfallen, was er noch hätte sagen können.
»Ich weiß, was du willst«, raunte ich. »Nimm mich mit auf deinem Motorrad.«
»Nimm … ich … was?« Seine Stimme war ganz wackelig.
Ich drückte meine Brust an seinen Arm, mein Atem strich über seinen Nacken. »Heute ist mein Nichtgeburtstag, also viel Glück zum Nichtgeburtstag für mich. Ich will eine Fahrt. Eine richtige.«
»Ich habe heute auch Nichtgeburtstag. Was für ein Geschenk bekomme ich?« Er zog eine Augenbraue hoch, aber ich antwortete nicht, und wir saßen Sekunden, vielleicht Minuten so da. Keiner von uns sagte etwas, keiner von uns zwang den anderen, Farbe zu bekennen.
»Gute Nacht, Jude«, sagte Emilio schließlich. Mir gelang es nicht, meine Enttäuschung zu verhehlen. Er ließ sich lautlos aus der Fahrertür gleiten, aber Sekunden später stand er auf der anderen Seite der Beifahrertür, die Hand am Rahmen.
»Morgen früh«, sagte er. Sein flirtendes Grinsen war zurück. »Zehn Uhr, vor dem Haus, passende Kleidung erwünscht.«
21
»Schwing dein Bein hoch und rüber«, sagte Emilio.
Ich starrte die knatternde Maschine in unserer Einfahrt an, als wäre sie ein atmendes, wildes Tier.
»Wie bei einem Pferd?«, fragte ich. Es war zehn Uhr morgens, der Helm auf meinem Kopf fühlte sich an wie eine Bowlingkugel, und Schweiß rann meinen Rücken hinunter.
»Eher wie bei einem Pony. Mit Rädern.« Emilio grinste mich von seinem Sitz auf dem schwarzen Biest aus an. »Du musst das hier nicht tun, princesa . Wenn du Angst hast …«
»Versuch’s nicht mit umgekehrter Psychologie bei mir.«
Er hob eine Augenbraue, ein Trick, der ihm immer besser gelang, seit wir begonnen hatten, Zeit miteinander zu verbringen.
»Ich habe keine Angst«, sagte ich. »Ich habe das nur noch nie gemacht. Es ist wie bei dir, als du zum ersten Mal den Pick-up gefahren bist.«
»Ich habe versucht, dich zu beeindrucken«, sagte Emilio. »Es war unsere erste Verabredung.«
»Du versuchst Mädchen also normalerweise dadurch zu beeindrucken, dass du ihnen den Hals brichst?«
»Äh, nein. Du warst bisher die Einzige.« Er zwinkerte mir zu und streckte den Arm aus. »Halt dich an mir fest und steig auf. Wir verlieren nur Zeit, Mädchen.«
»Oh mein Gott.
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