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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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blieb sie zögernd stehen. Der einzige freie Tisch stand direkt neben Boris, der sie noch nicht bemerkt hatte. Ihr schlug das Herz bis zum Hals, als sie sich an den übrigen Gästen vorbei durch die Reihen hindurchzwängte. Mittlerweile verlangte ihr Magen laut und vernehmlich nach Nahrung, doch ihre volle Konzentration galt Boris. Je näher sie ihm kam, desto deutlicher glaubte sie, die Anziehungskraft zu spüren, die sie mit ihm verband.
    Maribel fällte eine Entscheidung.
    »Ist der Platz neben Ihnen noch frei?« Sie schloss die Augen, um ihre Aufregung in den Griff zu bekommen. Einen Wimpernschlag später blickte sie in ein Paar wässriger blauer Pupillen, aus denen die Begriffsstutzigkeit ihres Besitzers strahlte.
    Zu Boris gehörten sie nicht.
    »Oh, Verzeihung, eine Verwechslung.« Sie fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Der Unbekannte besaß nicht die geringste Ähnlichkeit mit Boris. Sie verstand nicht, wie sie die beiden hatte verwechseln können.
    »Entschuldigung.« Verwirrt ließ Maribel sich am Nachbartisch nieder. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sie, wie der Fremde vom Nebentisch sich zu ihr herüberbeugte, um ein Gespräch anzufangen. Zur Abwehr schob sie die rechte Schulter vor. Hastig begann sie, das Gyros in sich hineinzuschaufeln.
    Was war bloß mit ihr los?
    Der Morgen, an dem Boris aus ihrem Leben verschwunden war, lag zehn Tage zurück. Keine Sekunde hatte sie seitdem aufgehört, an ihn zu denken. Schlimmer noch. Ihre Sehnsucht nach ihm entwickelte sich zu einem Strudel, der sie mitzureißen drohte.
    Wohin?
    Es kann sein, dass ich in einer völlig anderen Gestalt wieder zu dir zurückfinde – oder in einer anderen Zeit …
    Verstohlen schielte Maribel zu ihrem wasseräugigen Tischnachbarn hinüber. Er benutzte seine Gabel wie eine Forke, als er das Essen in sich hineinschaufelte. Die andere Hand lag locker in seinem Schoß und schien ständig in Bewegung. Maribel wollte nicht einmal darüber nachdenken, was genau er da veranstaltete. Ihr reichte bereits der Anblick der tomatenroten Matsche in seinen Mundwinkeln, um sie für alle Zeiten abzuschrecken.
    Sollte das deine neue Gestalt sein, Boris, dann hast du dir damit wirklich keinen Gefallen getan.
    Entnervt warf Maribel ihre Gabel auf den Teller. Mitten hinein in die Mayonnaise, die über das Tischtuch spritzte. Sie hatte ihre Portion nicht einmal zur Hälfte geschafft.
    Kein Wunder. Sie stand kurz davor durchzudrehen.
    Wie konnte sie auch nur ernsthaft in Erwägung ziehen, dass Boris seine Gestalt verändern konnte?
    Die Frauen am Nebentisch schielten zu ihr herüber, als sie ihren Stuhl heftig nach hinten schob und steifbeinig zur Theke stakste, um zu bezahlen. Sie kaufte noch zwei Fläschchen eisgekühlten Ouzo, von denen sie eins direkt am Tresen leerte. Das andere schob sie in ihre Jackentasche.
    Das Licht der Straßenlaterne flackerte unruhig, als Maribel hinaus auf die Straße trat. Der Wind hatte sich zu einem Schneesturm entwickelt. Wie Nadeln stachen die Flocken Maribel ins Gesicht. Sie zog den Kopf zwischen die Schultern und beschleunigte ihren Schritt.
    Von der kalten Luft begann ihre Lunge zu schmerzen. Als sie daraufhin ihren Schritt verlangsamte, hörte sie es: das Trappeln und Rutschen von Füßen, die über gefrorenen Boden liefen. Die aufgeregten Stimmen von Männern, deren Sprache sie nicht verstand. Die Geräusche blieben leise, wie aus weiter Ferne.
    Maribel blickte sich um. Die Straße lag verlassen da. Sie musste sich getäuscht haben.
    Dennoch schlug ihr das Herz bis zum Hals, als sie weiterging. Sie verfluchte die einsame Gegend, die ihr Verfolger vorgaukelte, wo nichts als verlassene Straßen lauerten. Erleichtert atmete sie auf, als sie den Eingang ihres Mietshauses erreichte. Bevor sie die Tür von innen ins Schloss drückte, blickte sie noch einmal aufmerksam die Straße entlang. Außer einer schwarzweiß gefleckten Katze, die gerade von links nach rechts über die Straße flitzte, war nichts Außergewöhnliches zu entdecken.
    Bitte Haustür nach zwanzig Uhr abschließen, las sie auf dem kleinen Metallschild direkt neben der Tür. Sie hielt sich daran und drehte den Schlüssel zweimal herum.

VIII
    Sein Körper steckte in einem Sträflingsanzug, seine Füße waren an Ketten gefesselt. Müde und zerschunden schleppte Boris beim Gehen die schwere Eisenkugel hinter sich her. Beim Gehen? Es war wohl mehr noch ein Schlurfen. Ein Kriechen. Ein Dahinvegetieren.
    Maribel krallte ihre Finger in den

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