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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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mit jedem Schritt, bei dem sich ihre Zehen Halt suchend in das glatte Holz der Schuhe krallten. Als ihr Blick auf das Stroh fiel, das den Kühen als Futter diente, nahm sie eine Hand voll davon und stopfte es sich in die Schuhe. Sofort fand sie mehr Halt, und wärmer war es auch.
    Trotzdem krampften ihre Wadenmuskeln, als sie vor die Tür trat. Außer ein paar Pferden, die in der Nähe angebunden standen, entdeckte sie bloß noch eine braun gestromte Katze, die über den Hof schlich, auf der Suche nach Beute.
    Wie hatte Lisette den Weg zur Toilette beschrieben? Rechts, gleich hinter dem Haus? Maribel fluchte leise vor sich hin, als sie in ihren unförmigen Schuhen über die glatten Kopfsteine balancierte und dabei mehr als einmal umknickte. Doch der schlimmste Fluch blieb ihr im Halse stecken, als sie vor dem Abort stand, einem Verschlag mit einem runden Loch vorne in der Tür. Maribel war sich nicht sicher, ob es zum Rein- oder zum Rausgucken diente, denn als sie drinnen mit angewinkelten Knien über der faulig stinkenden Grube hockte, ließ es kaum Licht herein. Dies war kein Ort zum Entspannen. Hier wurde ein notwendiges Übel auf die denkbar schnellste und unbequemste Art und Weise erledigt.
    Nicht zum ersten Mal erwies es sich als nützlich, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter gelernt hatte, ihre Ansprüche an Schönheit und Bequemlichkeit auf ein Minimum zurückzuschrauben. Damals hatte es ihr geholfen, die Odyssee durch zahlreiche Verwandtenhaushalte unbeschadet zu überstehen. Nun würde diese Schutzmaßnahme ihr helfen, das neunzehnte Jahrhundert zu überleben.
    In der Nähe des Aborts entdeckte Maribel eine Tonne mit Regenwasser, in das sie die Hände zum Waschen eintauchte. Zu spät entdeckte sie die kleine Eisschicht, die auf dem Wasser schwamm. Erschrocken zog sie die Finger heraus und rieb sie mit ihrer Schürze trocken. Danach machte sie sich auf die Suche nach der Küche.
    Theoretisch konnte jeder Mann, dem sie von nun an begegnete, Boris sein. Vorausgesetzt, er hatte sie nicht belogen.
    Jeder.
    »Hallo?«
    Das Wirtschaftsgebäude war ein Haus mittlerer Größe mit einer Fassade aus roten Klinkersteinen. Ihr Ruf blieb unbeantwortet, deshalb folgte sie den Stimmen, die sie in einen Raum neben der Küche führten.
    Höflich klopfte Maribel gegen den hölzernen Türrahmen der geöffneten Tür. Etwa zwanzig Männer, Frauen und auch Kinder, die um einen langen Tisch herum beim Essen saßen, drehten Maribel die Köpfe zu. Sie freute sich, als sie unter ihnen auch das bekannte Gesicht von Lisette erblickte, die sie aus großen Augen anstarrte.
    »Ich bin Maribel Weber. Lisette meinte, dass ich hier etwas zu essen bekommen kann.«
    Wie gebannt hingen die Blicke der Anwesenden an ihr. Niemand sprach ein Wort. Maribel fühlte sich plötzlich sehr unbehaglich in ihrer Haut. Alle schienen auf ein geheimes Kommando zu warten.
    »So, du möchtest also was essen.« Der Mann, der schließlich das Wort an sie richtete, war ein kräftiger Kerl mit breiten Schultern, der seinen Platz an der Querseite des Tisches hatte. Mit großer Sorgfalt wischte er sein Besteck zunächst am Tischtuch ab, bevor er es in ein kleineres Stofftuch einwickelte. Als er sich erhob, ließ er das Päckchen routiniert in seine Hosentasche gleiten. Eine wulstig verheilte Narbe zog sich quer über seine Stirn, was ihn in Maribels Augen nicht sympathischer machte. Aus den Augenwinkeln registrierte sie, wie ein Junge, der als Letzter am Ende des Tisches saß, die Hand, die er nach einem Butterbrot ausstreckte, blitzschnell wieder zurückzog.
    »Ja, gerne.« Maribel bemühte sich, möglichst unbefangen zu klingen. Eine böse Vorahnung beschlich sie, als sich nun auch die Übrigen vom Tisch erhoben. Anscheinend hatte der Mann das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch gegeben.
    Lisettes Blick sprach Bände: »Ich habe dich gewarnt.«
    »Tischzeit ist, wenn die Glocke läutet. Jetzt erst wieder um sechs.«
    Maribel spürte wie ihre Knie weich wurden. »Hören Sie, ich hab seit gestern früh nichts mehr gegessen. Ich sterbe vor Hunger. Heute ist Weihnachten. Können Sie nicht mal eine Ausnahme machen?«
    Mit einer unwilligen Handbewegung scheuchte der Mann die anderen, die gespannt zugehört hatten, hinaus. Nur die Köchin, die geschäftig am Herd hantierte, arbeitete unbeeindruckt weiter.
    »Merk dir eins: Gegessen wird, wenn die Glocke läutet. Die Mahlzeit endet, wenn ich, der Meisterknecht, es sage. So sieht der Brauch aus. Wo hast du vorher gedient, dass

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