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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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Kind, hatte sich einfach auf ihn eingelassen, war ihm sogar über die Zeitschwelle gefolgt.
    Und wofür?
    Sollte sie dieses feuchte Loch jemals wieder verlassen können, dann würde sie Boris alias Friedrich zur Rede stellen, das schwor sie sich.
    *
    Die Zeit verging. Maribel verbrachte eine weitere Nacht in völliger Finsternis. Auf der anderen Seite der Tür hörte sie ihren Bewacher schnarchen. Bis zum nächsten Morgen. Dann achtete er wieder streng darauf, dass niemand außer Lisette, die ihr das Essen brachte, zu ihr gelangte oder mit ihr sprach. Tagsüber patrouillierte er vor dem Kellerfenster. Manchmal erwischte Maribel durch das schmale, für eine Flucht viel zu kleine Fenster einen Blick auf seine Stiefel mit den schmutzigen Gamaschen. Sie fragte sich, ob es ihm Freude bereitete, fern seiner Kameraden eine schwachsinnige Gefangene zu bewachen. Bestimmt bereute er längst die Aufregung, die er durch sein Verhalten selbst verursacht hatte.
    Doch Befehl war Befehl, also verbrachte er Tag und Nacht in ihrer Nähe. Seine Schlafstätte in der Vorratskammer entschädigte ihn dafür. Maribel hörte ihn genussvoll schmatzen, während sie selbst an ihrem Kanten trockenen Brotes knabberte.
    Längst war Maribel bereit, sich auf Knien bei dem Soldaten zu entschuldigen, sich zu demütigen, ihn anzuflehen. Alles wollte sie tun, um ihre Freiheit zurückzuerlangen. Doch niemand bot ihr die Gelegenheit dazu. Stets hielt Lisette den Blick zu Boden gesenkt, wenn sie sich Maribel näherte, als fürchtete sie, bei einer falschen Bewegung selbst erschossen zu werden.
    Am Ende des dritten Tages errötete Maribel heftig, weil Lisette erkennbar die Luft anhielt, als die Tür geöffnet wurde. Maribel wunderte es nicht. Es mangelte an einer Waschgelegenheit. Sie roch ihren eigenen Schweiß, und die Gerüche, die aus dem Eimer strömten, den man ihr für ihre Notdurft gegeben hatte, verursachten ihr Übelkeit. Maribel fühlte sich schmutzig und verwahrlost und schämte sich dafür.

XIII
    Am Morgen des vierten Tages erwachte Maribel mit dem festen Vorsatz, einen Fluchtversuch zu wagen, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab. Sie dachte nicht daran, bei lebendigem Leibe zu verfaulen. Stattdessen würde sie auf ihre weiblichen Reize vertrauen. Ihr Bewacher konnte ihr zu Wasser, Seife und jeder Menge köstlicher Lebensmittel verhelfen. Sie verfügte über die Möglichkeit, ihn besinnungslos glücklich zu machen. Auch auf die Gefahr hin, dass sie später ihrem Frauenarzt erklären musste, wie sie sich eine Geschlechtskrankheit aus dem neunzehnten Jahrhundert aufgeschnappt hatte.
    Maribel kam nicht in die Verlegenheit, ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Kaum fiel die Tür hinter Lisette, die ihr wie an den Tagen zuvor die Tagesration an Brot und Wasser brachte, ins Schloss, hörte Maribel aus dem Vorratsraum ein unterdrücktes Kichern. Metall klirrte auf den Fußboden, als der Soldat sich seines Gewehrs entledigte.
    Das Mädchen gurrte nun verführerisch wie eine Taube. Liebesgeflüster, das der Franzose mit Inbrunst erwiderte. Enttäuscht zog Maribel sich in die hinterste Ecke ihres Gefängnisses zurück. Während sich nebenan die Liebesgeräusche steigerten, presste sie beide Hände gegen die Ohren.
    Sie fühlte nichts als Hass für Lisette. Was bezweckte sie, wenn sie sich dem Mann hingab? Sie saß nicht im Gefängnis. Sie kämpfte nicht um ihre Freiheit. Geringschätzig schnaubte Maribel durch die Nase.
    Nebenan stieß Lisette spitze Schreie der Lust aus, die sich mit dem wollüstigen Stöhnen ihres Partners vermischten. Dachten die beiden nicht daran, dass Maribel nebenan alles mitanhören konnte?
    Oder machte genau dies den Reiz ihrer Begegnung aus?
    Rasch näher kommendes Pferdegetrappel unterbrach Maribels Gedanken. Der französische Sergeant schien es eilig zu haben. Sein Pferd bäumte sich auf, als er es zügelte. Noch während er absprang, stieß der Mann erste Befehle aus, die die Menschen draußen auf dem Hof in Aufregung versetzten. Auf den Zehenspitzen stehend, verfolgte Maribel vom Fenster aus das Geschehen, konnte aber kaum mehr als über den Hof eilende Füße und aufgeregte Stimmen ausmachen. Rufe nach Friedrich wurden laut. Wenig später klang seine Stimme in gesetztem Französisch über den Hof. Obwohl Friedrich sie in den letzten Tagen so schmählich im Stich gelassen hatte, fühlte sie sich eigentümlich beruhigt.
    Zwischen Friedrich und dem Sergeanten erhob sich ein heftiger Wortwechsel, den Maribel nicht verstehen

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