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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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aufs Pferd zu nehmen, fallen lassen. Beide konnte er nicht halten. Er schwang sich hinter Grete in den Sattel.
    »Auf geht’s. Lauft, so schnell ihr könnt.«
    Friedrich hatte gut reden, haderte Maribel. Die Kinder taumelten vor Müdigkeit. Ben war zwar bereits zwölf und zäh. Doch er trug nun den Säugling, die Arme wurden ihm mit jedem Schritt schwerer. Berta und Maribel trugen je eins der Mädchen. Ständig musste eine von beiden stehen bleiben, um zu verschnaufen. Dabei lauschten sie immer wieder in die Richtung, aus der sie kamen. Die Schüsse waren mittlerweile verstummt, doch keiner von ihnen wusste, was das zu bedeuten hatte. Die Angst, von den Soldaten, egal welcher Nationalität, eingeholt zu werden, trieb sie vorwärts.
    Aber noch etwas nagte an Maribel. Sie und Friedrich waren im Streit auseinandergegangen. Doch mit keinem Wort oder Blick ließ er erkennen, wie er ihre Rückkehr aufnahm. Sie schimpfte sich selbst eine dumme Kuh, weil sie erkannte, dass sie insgeheim immer noch darauf hoffte, dass er sich ihr gegenüber als ihr Boris zu erkennen gab.
    Sie haderte mit sich, weil sie ihre Liebe nicht aufgeben konnte. Es auch nicht mehr wollte, wenn sie ehrlich mit sich war. Das hohe Fieber der letzten Tage hatte sie selbst bis an den Rand des Todes geführt. Sie wollte nicht sterben, ohne den Grund für ihre Reise in die Vergangenheit zu erkennen.
    Und wenn nicht ihre Liebe zu Boris der Grund war – was dann?
    *
    Mit letzter Kraft erreichten sie den Hof. Doch die Erleichterung, in Sicherheit zu sein, wich Panik, als plötzlich das Donnern unzähliger Hufe die Luft erfüllte.
    »Frauen und Kinder ins Haus. Verschließt die Tür. Die Männer zu mir auf den Hof.«
    Maribel klemmte sich eins der Mädchen unter den Arm und nahm das zweite an die Hand. So schnell sie konnten, liefen sie hinüber zum Herrenhaus. Die langen Röcke behinderten sie beim Laufen. Sie stolperte. Um ein Haar wäre sie gefallen, konnte sich aber noch rechtzeitig abfangen.
    »Hast dir aber ’ne Menge Männer angelacht«, flachste Lisette. Nur das Flackern in ihren Augen verriet ihre Angst.
    »Wart mal ab, die Besten kommen noch«, konterte Maribel in einem Anflug von Galgenhumor. Hastig schob sie die Kinder vor sich her ins Haus.
    Agnes erschien auf dem oberen Treppenabsatz im ersten Stock, bereits im Nachtgewand. Nur ein dünner Morgenmantel schützte sie vor der Kälte. »Was ist geschehen?«
    »Es ist so weit, gnädige Frau. Russische Soldaten haben den Rhein überquert.
    Agnes zögerte keine Minute. »Ich ziehe mich an. Weckt die Frauen, die noch schlafen, damit sie sich ebenfalls ankleiden können. Lisette, komm und hilf mir.«
    Während Lisette zu ihr nach oben die Treppe hinaufstürzte, blickte Maribel sich um. Die meisten Frauen und Kinder waren bereits in der großen Empfangshalle versammelt. Angstvoll lauschten sie auf die Geschehnisse draußen im Hof. Während sie selbst alle den Atem anzuhalten schienen, schrien dort draußen aufgeregte Stimmen durcheinander.
    Maribel hörte, wie Friedrich seine Befehle erteilte. Ruhig und besonnen trotz der Hektik, die um ihn herum herrschte. Ihr selbst drehte sich beinahe der Magen um vor Angst und Erschöpfung. Überfälle durch feindliche oder befreundete Truppen. Krieg. Das war nicht ihre Welt. Mehr denn je sehnte sie sich zurück in die kleine Hausmeisterwohnung, die sie, als sie darin lebte, so gar nicht zu schätzen gewusst hatte.
    »Licht aus.«
    Grete schleppte sich zu Maribel ans Fenster, die ihr rasch einen Stuhl zuschob.
    »Komm, ich seh mir deine Wunde mal an.« Unterwegs hatte Maribel ihr mithilfe ihrer Schürze nur einen notdürftigen Verband anlegen können, um die Blutung zu stillen. Mittlerweile jedoch war der Stoff längst blutdurchtränkt.
    »Der kleine Kratzer verheilt von allein.«
    »Du hast einen richtigen Streifschuss abbekommen. Die Wunde muss gesäubert werden, damit sie nicht eitert.«
    »So viel Aufwand lohnt nicht für eine alte Frau.«
    Maribel fluchte leise. Das Weib war halsstarriger als ein Esel. »Und was soll ich Michel sagen, wenn er heimkehrt? Der findet es bestimmt nicht lustig, nur noch ein Grab von seiner Frau vorzufinden.«
    Maribel war froh, dass Grete keinen Reisigbesen zur Hand hatte. Ihrem Blick nach zu urteilen, hätte sie ihn in diesem Moment liebend gern auf Maribels Rücken tanzen lassen.
    »Sobald wieder Ruhe auf dem Hof ist, kannst du dich um den Kratzer kümmern«, bestimmte Grete, ohne Maribel anzusehen.
    »Kann ich machen.« Maribel

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