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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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lachte in sich hinein. Mit einer kleinen Dosis Druck parierte sogar die gute Grete. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder ganz auf das Geschehen draußen, als die ersten Reiter den Hof erreichten.
    Im flackernden Schein der Lampen waren die Gesichter der Ankömmlinge nur undeutlich zu erkennen. Für Maribel bestand kein Zweifel, dass es sich um Russen handelte, doch die Reiter, die soeben von ihren Pferden abstiegen, wirkten fremdländischer als die, die ihnen den Karren gestohlen hatten. Ihre Gesichtszüge erinnerten Maribel an Kirgisen. Vielleicht waren es auch Mongolen. Sie kannte sich zu wenig aus.
    »Auf alle Fälle sind es Kosaken«, sagte sie laut. Auch die übrigen Mägde drängelten sich ängstlich an den Fenstern, um im Schutz der dicken Vorhänge hinauszuspähen.
    »Die tragen ja Röcke«, staunte Grete.
    »Das täuscht. Es sind Hosen, die sie in die Stiefel stecken.«
    »Und die Hemden hängen über den Hosen.«
    »Seht ihr die Pferde? Die sind so klein, dass die Füße der Reiter fast über den Boden schleifen. Schöne Befreier!«
    »Wenn das unsere Befreier sind, dann sollen sie sich erst mal waschen. Die stinken nämlich zum Himmel«, brummte Grete böse. Ihr Arm schmerzte stärker, als sie zugab, und sie haderte noch immer mit sich, weil sie den Karren aufgegeben hatte. Von nun an würde sie kein gutes Haar mehr an den russischen Soldaten finden.
    »Ich glaube kaum, dass sie in den letzten Wochen viel Luxus erlebt haben.« Maribel wandte sich um, als sie Agnes die Treppe herunterkommen hörte. Sie erschrak über das Aussehen der jungen Frau. Feuerrote Flecken verunstalteten ihre Wangen. Die Augen glänzten fiebrig. Maribel fing einen besorgten Blick der Köchin auf. Auch sie hatte es bemerkt.
    Wortlos bot Maribel auch Agnes einen Sessel am Fenster an, doch Agnes winkte ab. Der Einmarsch der russischen Truppen war kein Schauspiel, über das man sich sorglos wie im Theater amüsieren konnte. Als Herrin des Hofes war es Agnes wichtig, in dieser ungewissen Stunde ihren Angestellten ein Vorbild zu geben. Niemandem würde es helfen, in Panik oder Hysterie auszubrechen.
    »Kommt vom Fenster weg. Ich möchte nicht, dass ihr die Aufmerksamkeit der Männer unnötig auf euch zieht. Wenn sie als Freunde kommen, werden wir sie bewirten. So lange warten wir ab.« Mit einer aufmunternden Handbewegung scharte sie die anwesenden Kinder in der hintersten Ecke des Saales um sich. Sie selbst nahm auf dem zierlichen Sofa Platz. Während sie sich unauffällig einige Schweißtropfen von der Oberlippe tupfte, begann sie mit leiser Stimme, den Kindern das Märchen vom tapferen Schneiderlein zu erzählen.
    Nach und nach verließen auch die Frauen ihre heimlichen Beobachtungsposten und gesellten sich zu der kleinen Gruppe. Doch keine schaffte es, sich unbeschwert zu geben. Angespannt lauschten alle nach draußen, wo die herrischen Stimmen der Männer in einer Sprache über den Hof schallten, die sie nicht verstanden.

XXI
    Das Pferd bäumte sich auf, als Andrej Makejew es unmittelbar vor Friedrich zum Halten brachte. Friedrich wich nur so weit zurück, dass er nicht von dem Tier überrannt wurde. Doch es genügte schon, um Andrej ein geringschätziges Lächeln auf die Lippen zu treiben.
    Männer wie diesen rheinischen Hofherrn, die es sich lieber im Schoß einer Frau gemütlich machten, als mit der Waffe in der Hand für ihre Freiheit zu kämpfen, hatte er schon zu viele gesehen. Für sie hatte er wenig Achtung übrig.
    Andrej hing der verdammte Krieg zum Halse raus. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er seine Männer schon lange zurück in ihre Heimat geführt. Reichte es nicht, dass unzählige von ihnen getötet oder verwundet worden waren? Wozu nun noch dieser unselige Befehl, Napoleons Truppen bis zurück nach Frankreich zu verfolgen? Nur, damit Alexander I. Pawlowitsch, Zar von Russland, gegenüber Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, und dem Kaiser von Österreich an politischem Gewicht gewann?
    »Betten, Decken und Lebensmittel«, befahl er übergangslos in der Sprache seiner Heimat.
    Er hatte nicht die geringsten Zweifel, dass ihm diese Dinge zustanden. Im Gegenteil. Jeder Einzelne aus der Bevölkerung stand in seiner Schuld. Es war die Pflicht aller, die Truppen mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Deshalb rührte er auch keinen Finger, als seine Leute sich nun unter Gegröle den Weg in den Stall bahnten. Es fehlte seiner Truppe an Heu und Stroh für die mitgeführten Tiere, an Fuhrwerken, an Pferden.

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