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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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hoffend und bangend zwischen Leben und Tod.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Maribel, wie Grete die Peitsche hob, um die Pferde anzutreiben. Damit erreichte sie, dass dem Mann endgültig der Geduldsfaden riss.
    »Dawai!« Auf sein Kommando hin wurde Berta um die Taille gepackt und vom Bock gezerrt. Grete wehrte sich mit Händen und Füßen. Ein Peitschenhieb schwirrte durch die Luft und traf sie an der Schulter. Mit einem Schmerzensschrei kletterte auch sie vom Karren.
    »Nimm deine Schwester an die Hand, Ben!« Die beiden kleinen Mädchen klammerten sich fest an Maribel, die zurückwich, als einer der Reiter sein Pferd zu ihnen herantrieb.
    »Dawai!«, schrie er sie an. Plötzlich verzog er die Lippen zu einem breiten Grinsen. Maribel sah neben einigen Zahnlücken einen Goldzahn aufblitzen, als er sie anstrahlte und die Hände ausstreckte, um die Mädchen vom Wagen zu heben.
    Bens Mutter stieß einen sonderbar verzweifelten Ton aus. »Nehmt mich, nicht meine Kinder!« Sie warf sich vor dem Anführer auf die Knie, riss ihre Bluse auf und bot sich ihm an. Fast wäre sie von den Hufen seines Pferdes getroffen worden, als es erschrocken zu tänzeln begann.
    Bertas offensichtliche Angst vor einer Vergewaltigung ihrer Tochter lähmte für einen Moment alles. Dennoch hoffte Maribel inständig, dass Berta die Männer mit ihrem Ausbruch nicht erst auf dumme Gedanken gebracht hatte.
    Sie spürte, wie sie sich innerlich verspannte, als der Anführer vom Pferd stieg. Wie die anderen verfolgte sie gebannt, wie er zu Berta ging und ihr vom Boden aufhalf. Sein Deutsch klang gebrochen und ungeübt, als er zu sprechen begann: »In Russland ich haben Frau und Kinder. Ich nicht wollen, wenn man ihnen was tut.«
    In seinen Augen schimmerten die aufsteigenden Tränen. Vorsichtig schob er mit den Fingern das schützende Tuch vom Gesicht des winzigen Kindes, das Berta immer noch auf ihrem Arm trug. »Schön wie meine kleine Milenka.« Eine Träne lief ihm über die Wange. Tief traurig wischte er sie mit den Fingern fort. Gerührt schluckte auch Maribel.
    Der Mann war nicht glücklicher als sie selbst. Wie sie verdammten ihn die Umstände dazu, zwischen fremden Menschen in einer fremden Welt zu leben. Aber im Gegensatz zu ihr kannte er seine Aufgabe. Es galt, Napoleon zu stürzen.
    Plötzlich schlug die Stimmung des Soldaten, der gerade noch um seine Familie geweint hatte, ins Gegenteil um. Fluchend scheuchte er Maribel und die Kinder vom Karren.
    »Bitte! Ohne den Wagen schaffen wir es mit den Kindern nicht bis nach Hause«, versuchte Maribel ihn zu erweichen.
    »Wer fragen meine Soldaten, ob sie sterben wollen, euch zu retten vor Napoleon? Wir brauchen Wagen, Brot, alles. Dawai!« Je mehr er brüllte, desto lauter weinten die Kinder. Erschrocken sah Maribel, wie einer der Soldaten seinen Säbel schwang.
    »Ist ja gut, wir ergeben uns.« Unzählige Male hatte sie diesen Satz in Filmen gehört oder in Romanen gelesen. Nun hoffte sie, dass er seine beruhigende Wirkung nicht verfehlte. Grete knurrte gereizt. Es verstieß gegen ihre Ehre, das Eigentum der Familie von Leyen kampflos aufzugeben.
    Eng zusammengedrängt und verschreckt, musste die kleine Gruppe aus Frauen und Kindern mit ansehen, wie einer der Reiter sein Pferd hinten an den Karren band und sich auf den Bock schwang. Mit lautem Schnalzen und Zügelknallen trieb er das verängstigte Tier an.
    Im nächsten Moment peitschten Schüsse durch die Nacht.
    »In Deckung!« Maribel trieb die Kinder auf eine Reihe Büsche zu, die dicht genug war, um sich dahinter zu verstecken. Berta und Grete folgten ihr au dem Fuß. »Duckt euch!«
    Maribel kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Der Soldat, der soeben noch die Zügel des Pferdekarrens in der Hand gehalten hatte, hing nun schief auf dem Kutschbock. Von ihrem Versteck aus war nicht zu erkennen, ob er noch lebte. Seine Kameraden hatten keine Zeit, sich um ihn zu kümmern. Sie feuerten in die Richtung, aus der sie angegriffen wurden. Der hohe Schmerzensschrei eines Mannes verriet, dass auch sie getroffen hatten. Von beiden Seiten schnellten grelle Feuerblitze durch die Nacht.
    »Das müssen die Franzosen sein«, flüsterte Grete neben ihr. Maribel erschrak, als die Ältere plötzlich zur Seite kippte und gegen sie fiel. »He! Grete!«
    Grete war bei Bewusstsein, doch sie presste die Hand auf den Oberarm, stöhnte leise. »Die Schweinebande hat mich erwischt.« Als Maribel nach der Wunde sehen wollte, fühlte sie warmes Blut

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