Verlieb dich nie nach Mitternacht
musste weg. Je eher, desto besser.
Aber sie schätzte ihre Chancen, es allein zu schaffen, nicht hoch ein.
Andrej hatte ihr seine Hilfe angeboten.
Zu einem hohen Preis.
XXIX
Den ganzen Tag über lungerte Ben im Schweinestall herum, damit Maribel ihn finden konnte, wenn sie ihn suchte. Doch sie suchte ihn nicht. Beim Abendessen bemühte er sich vergeblich, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Sie schien durch ihn hindurchzusehen.
Ben gab die Hoffnung trotzdem nicht auf. Was sollte sich zwischen ihnen verändert haben? Deshalb lief er nach dem Essen erneut hinüber zum Stall. Er wartete. Irgendwann schlief er vor Müdigkeit ein.
*
Der Abmarschbefehl war erteilt. Morgen früh mit Anbruch der Dämmerung machte sich seine Kompanie auf den Weg nach Paris, um Napoleon und seine Armeen dem Erdboden gleichzumachen. Andrej war zuversichtlich, dass es den Verbündeten diesmal gelingen würde.
Die Unruhe, die er verspürte, lag nicht am bevorstehenden Aufbruch. Er wartete auf Maribel. Die Ungewissheit, ob sie sein Angebot annehmen würde, trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Erleichtert atmete er auf, als es klopfte.
Andrej beeilte sich, Maribel die Tür zu öffnen. Enttäuscht stellte er fest, dass sie sich mit ihrem Äußeren keine allzu große Mühe gegeben hatte. Noch immer trug sie das Kleid, das sie bereits mittags im Hof angehabt hatte. Als sie eintrat, glaubte er sogar noch einen leichten Hauch von Misthaufen an ihr zu riechen.
»Ich wusste, dass du kommen würdest.« Mit einem Lächeln, das seine Nervosität überspielte, trat er einen Schritt zur Seite, um sie ins Zimmer zu lassen.
»Ich nicht.« Maribel war übel vor Aufregung. Krampfhaft bemühte sie sich, es sich nicht anmerken zu lassen. Ihr Blick flog zu dem Bett, in dem sie ihre erste Nacht in der Vergangenheit verbracht hatte. Er bemerkte es.
»Seitdem ich in diesem Bett schlafe, träume ich jede Nacht von dir.«
»Wie ehrenvoll.« Bevor sie herkam, hatte sie sich geschworen, es Andrej so schwer wie möglich zu machen. Befriedigt registrierte sie, wie er unter ihrem Spott zusammenzuckte. »Woher willst du wissen, dass ich aus einer anderen Zeit stamme?«
»Ich weiß es, das muss dir genügen.«
»Du könntest dich täuschen.«
»Wärst du dann hier?«
Nervös zog Maribel ihre Unterlippe zwischen die Zähne, ließ sie aber hastig wieder los, als sie merkte, wie gebannt sein Blick auf ihrem Mund hing.
»Nimm an, ich komme tatsächlich aus einer anderen Zeit. Wie kann ich sicher sein, dass du den Weg kennst?«
»Es gibt keine Sicherheit, Maribel. Du musst mir vertrauen.«
Sie schnaubte verächtlich. Ihr Vertrauen war schon so häufig enttäuscht worden. »So kommen wir nicht weiter.« Unschlüssig sah sie zur Tür.
Andrejs Herz klopfte nicht minder stark als ihres, als er die Schärpe ablegte, die das Leibkoppel verdeckte. »Maribel, du bist freiwillig hier. Ich werde dich zu nichts zwingen.«
»Freiwillig nennst du das? Ich nenne es Erpressung.« Wütend blitzte sie ihn an. »Oder hast du es dir anders überlegt? Hilfst du mir auch, wenn ich nicht mit dir ins Bett gehe?«
Nur das Mondlicht erhellte das Zimmer. Als er neben dem Fenster auf einem Stuhl Platz nahm, war es ihr kaum noch möglich, sein Gesicht zu erkennen.
Der hoffnungsvolle Ton in ihrer Stimme rührte ihn. »Und warum kannst du dir nicht vorstellen, dass ich dich liebe, Maribel?«
Die Gesichter von Boris und Friedrich tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Auch sie hatten behauptet, sie zu lieben.
»Liebe!« Unwillig verzog Maribel das Gesicht. »Das Wort Liebe kommt euch Männern so leicht über die Lippen, aber selten meint ihr es auch so.«
Wütend ging sie im Zimmer auf und ab, um dann dort stehen zu bleiben, wo der Abstand zwischen ihnen am größten war. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und gab sich geschäftsmäßig.
»Wir sollten uns nichts vormachen. Ich bin nur hier, damit du mir hilfst.« Herausfordernd streckte sie das Kinn heraus.
Andrej rieb sich müde die Augen. Wie hatte er nur eine Sekunde darauf hoffen können, dass sie freiwillig mit ihm schlafen würde, ihn vielleicht sogar genauso begehrte wie er sie. Anscheinend gab es in diesen unruhigen Zeiten nichts, was nicht zunächst erobert werden musste, bevor man sich daran erfreuen durfte.
Er sah hinüber zu ihr, und sein Herz machte einen Sprung. Mit hocherhobenem Kopf stand sie da, jeder Zoll eine begehrenswerte Frau. Maribel war es wert, immer wieder aufs Neue erobert zu werden. Trotz ihres
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