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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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Abstand zu Maribel zu halten.
    »Aber ich verstehe dich nicht. Alles wird sich zum Guten wenden, wenn ich erst fort bin. Denk an deine Frau. Für Agnes muss meine Anwesenheit unerträglich sein. Vor allem jetzt.« Bewusst vermied Maribel es, den Tod des Kindes zu erwähnen. Sie war nicht gekommen, um Friedrich zu verletzen.
    »Du bist der Einzige, der mir helfen kann. Bitte. Komm mit mir hinaus zu der Stelle, wo du mich das erste Mal getroffen hast. Ich bin mir sicher, ich weiß, wo es ist. Du brauchst mir bloß zu zeigen, wie ich zurückkomme. Bitte.«
    Friedrich hatte diesen Moment vorausgesehen. Ihren flehenden Blick. Ihre Worte, die selbst in seinen Ohren nur zu berechtigt klangen.
    Doch er hatte auch einen Schwur am Grab seines Sohnes geleistet.
    »Gott straft die Menschen, die ihn vergessen«, stieß er heiser hervor. Hinter seinem Kopf an der Wand entdeckte Maribel ein Kreuz, das Zeichen seines katholischen Glaubens. Seltsam, sie bemerkte es zum ersten Mal.
    »Auf französischen Befehl haben wir auf alles verzichtet, was uns heilig war. Die traditionellen Prozessionen wurden verboten, und wir haben es akzeptiert. Die heiligen katholischen Feste und Feiertage wurden untersagt, und wir haben auch das akzeptiert. Sogar als die Entfernung aller Kreuze aus der Öffentlichkeit befohlen wurde, haben wir gehorcht. Seitdem ziert Unkraut die Gräber unserer Angehörigen.«
    Ben, der Schweinejunge. Der Grabstein, den er ausgraben wollte. Die Gedankenfetzen verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
    Die Haut in Maribels Nacken zog sich spürbar zusammen, als sie Friedrich beobachtete. Das Flackern in seinen Augen entging ihr nicht.
    »Gott hat weder Feuersbrunst noch Sintflut gesandt. Er zog es vor, meinen Ungehorsam auf andere Weise zu bestrafen.«
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Du redest dir was ein.«
    Er schien sie nicht zu hören. Geistesabwesend griff er nach dem vergoldeten Brieföffner, der vor ihm auf dem Tisch lag. Fasziniert beobachtete Maribel, wie er damit zu spielen begann.
    »Ich stand im Begriff, gegen das vierte Gebot zu verstoßen. Zur Strafe nahm Gott mir meinen Sohn.«
    »Aber das ist doch Unsinn.« Impulsiv machte Maribel einen Schritt auf ihn zu. Sofort schnellte die Hand mit dem Brieföffner zur Abwehr in die Höhe.
    »Unsinn nennst du das? Dann geh hinüber in das Zimmer meines Sohnes und überzeug dich selbst. Die Wiege des kleinen Wilhelm steht leer!« Abgrundtiefe Qual sprach aus seinen Augen.
    »Friedrich, du wirst noch lange brauchen, um den Tod eures Kindes zu überwinden. Das ist natürlich. Aber darin liegt auch eine Chance.« Sie zuckte zusammen, als er den Brieföffner mit der Spitze nach unten in das Holz der Schreibtischplatte rammte.
    »Bitte, Friedrich«, flehte sie. »Hilf mir, hier wegzukommen. Es ist besser. Für uns alle.«
    »Gott will, dass ich für meine Schuld büße. Er will, dass ich Seelenqualen leide, wenn du in den Armen eines anderen Mannes liegst. Nur dann wird er Agnes und mir ein gesundes Kind schenken.«
    Bleich vor Entsetzen begann Maribel, langsam rückwärts zur Tür zu gehen. »Du hast den Verstand verloren, Friedrich. Du brauchst Hilfe.« Wie gebannt hing ihr Blick an dem Brieföffner. In der Hand eines Wahnsinnigen war er eine gefährliche Waffe.
    »Das Wissen, dich nie in meine Arme schließen zu dürfen, bescheidet mir Höllenqualen, meine geliebte Maribel.« Er machte einen Schritt auf sie zu. Maribel hatte die Tür jetzt erreicht. Hektisch tastete sie nach dem Türknauf.
    »Ich kann dich nicht weglassen. Ich brauche dich, um meine Schuld zu bezahlen, Maribel. Verstehst du das?«
    Angst schnürte ihr die Kehle zu. Erleichtert spürte sie endlich die Klinke in ihrer Hand. Sie drückte sie hinunter und floh. Den Korridor entlang, die Treppe hinab.
    Oben in seinem Zimmer sackte Friedrich weinend über seinem Schreibtisch zusammen. Unten, aus dem Schatten einer Nische, löste sich Lisette. Wie von Furien getrieben, war Maribel an ihr vorbeigelaufen, ohne sie zu bemerken.
    *
    Was sollte sie tun? Was konnte sie tun?
    Schwer atmend suchte Maribel im scheinbar sicheren Dunkel des Hofes nach einer Antwort. Auf der Flucht vor Friedrich war sie, ohne anzuhalten, direkt ins Freie gerannt. Sie musste allein sein und in Ruhe nachdenken.
    Der Tod seines Sohnes hatte Friedrich den Verstand gekostet. Fanatischer Eifer sprach aus seinen Worten. Er sprach von Liebe, sah aber in ihr die Inkarnation des Bösen, die ständige Herausforderung und Versuchung.
    Sie

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