Verlieb dich - Roman
nichts anderes übrig, als ihm entweder einen Überraschungsbesuch abzustatten oder überhaupt nicht zu ihm zu fahren.
Sie verschob die Abreise um einen weiteren Tag.
Dann bekam sie einen Anruf vom Assistenten der Bezirksstaatsanwältin, die für den Fall Morley verantwortlich war. Er teilte ihr mit, Morleys Mithäftling habe sich bereiterklärt, im Austausch gegen Vergünstigungen sachdienliche Hinweise zu liefern, und nun hätten sie einen Tipp von ihm bekommen. »Ich kann nur hoffen , dass dieser nervtötenden Polizistin etwas zustößt, ehe sie aussagen kann«, sollte Morley dem Zellengenossen zufolge gesagt haben. Und wie der Mithäftling ganz richtig angemerkt hatte, gingen die Wünsche von Leuten mit Morleys Verbindungen üblicherweise in Erfüllung.
Sprich, sie konnte nicht mehr warten, bis sie Rafe telefonisch erreicht hatte.
Sara mietete einen Wagen mit einem ordentlichen Navigationssystem und machte sich auf den Weg in Richtung Norden. Sie hatte da so eine Vermutung, wo Rafe sich aufhalten könnte. Er hatte oft von seinem Refugium in seiner Heimatstadt Hidden Falls erzählt. Ein Häuschen am Ontariosee war die perfekte Zufluchtsstätte mitten in der brütenden Hitze des Sommers. Rafe hatte sich immer wieder beschwert, Hidden Falls sei so klein, dass dort jeder jeden kannte. In
Anbetracht dieser Tatsache würde es hoffentlich ein Leichtes sein, ihn ausfindig zu machen – notfalls mit Hilfe einer Landkarte und ein paar gezielten Fragen, sobald sie vor Ort war.
Sie konnte sich kaum vorstellen, dass er ihr die Tür vor der Nase zuschlagen würde.
Kapitel 4
Rafe saß mit seinem Bruder Nick in Billy’s Bar, einer Lokalität, die in Hidden Falls eine Institution war. Es gab in der Gegend viele Weinlokale, die im Sommer Touristen anlockten. Billy’s Bar dagegen war die Stammkneipe der Einheimischen. Billy war bereits uralt und hatte den Betrieb schon längst an seinen Sohn Joe übergeben, der wie sein Vater wusste, was jeder seiner Gäste am liebsten trank, ohne erst nachfragen zu müssen.
Rafe hatte noch immer sein erstes Bier in Arbeit, Nick trank bereits das dritte.
»Macht dir Angel mal wieder das Leben schwer?«, fragte Rafe seinen Bruder.
Nick kniff die Augen zusammen und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.
»Das interpretiere ich als ein Ja.«
Nick und seine Frau hatten sich vor einem halben Jahr getrennt – zum großen Entsetzen der älteren Generation der Familie. Danach war Angelina, oder Angel, wie sie von allen genannt wurde, in das Haus ihres Vaters gezogen. Das Haus hatte leer gestanden, weil Angels Vater, Pirro DeVittorio, kurz zuvor Rafes und
Nicks Tante Vivian geheiratet hatte, die seit fünf Jahren verwitwet war, und bei ihr eingezogen war.
Tante Vi war die Schwester von Rafes Vater, und sie und Rafe waren sich schon immer sehr nah gestanden. Rafes Vater leitete gemeinsam mit seiner Schwester Vi das Familienunternehmen, einen Gewürzhandel namens Spicy Secret. Pirro war der Chef der Versandabteilung, Nick fungierte als stellvertretender Geschäftsleiter der Firma – eine Tatsache, die dafür sorgte, dass sich im Augenblick sowohl die geschäftlichen als auch die privaten Beziehungen zwischen den diversen Familienmitgliedern reichlich kompliziert gestalteten.
Rafe musterte seinen älteren Bruder prüfend. Nicks schlechte Laune war nicht nur auf die Trennung zurückzuführen.
Im Gegensatz zu Rafe, der die Stadt hinter sich gelassen, seinen Horizont erweitert und einige seiner persönlichen Ansichten und Einstellungen geändert hatte, war Nick ein äußerst traditionsverhafteter Mann. Er hatte von seiner Frau erwartet, dass sie zu Hause bleiben oder im Familienunternehmen arbeiten würde – und auch das nur so lange, bis sie Kinder bekamen. Doch Angel hatte nach einer Fehlgeburt beschlossen, mehr aus ihrem Leben zu machen.
Sie wollte beruflich auf eigenen Beinen stehen und ließ sich nicht von ihren Plänen abbringen, obwohl Nick nicht damit einverstanden war. Als sie von ihren ständigen Meinungsverschiedenheiten endgültig die Nase voll hatte, zog sie einfach ins Haus ihres Vaters
und funktionierte die Räume in der oberen Etage zu Gästezimmern um. Sie ließ sich bei der Handelskammer registrieren und führte seither eine erfolgreiche Frühstückspension. Auf den ersten Blick sah es ganz danach aus, als käme Nick nicht damit klar, dass seine Frau jetzt eine Geschäftsfrau war. Und solange sich seine Einstellung dazu nicht änderte, war Angel nicht bereit, sich
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