Verlieb dich - Roman
ihm fallen musste, darüber zu sprechen. »Komm, lass uns gehen.« Sie ergriff seine Hand und führte ihn weg vom Gewürzstand, weg von all den neugierigen Augen und Ohren. Sie stellte ihm auch keine Fragen, sondern wartete ab, bis er bereit war, zu reden.
Sie schlenderten die Hauptstraße entlang zu der Stelle, wo er Stunden zuvor das Auto geparkt hatte. »Weißt du, was komisch ist?«, fragte er schließlich.
»Was?«
»Kurz bevor ich um einen neuen Dienstplan und einen neuen Partner ersucht habe, wäre ich fast in die Fußstapfen meines Vaters getreten.«
»Wie denn das?«
»Ich hätte meine Verlobte beinahe mit dir betrogen.«
Sara klappte den Mund auf und gleich wieder zu. Sie war von seinen Worten wie betäubt. Sie dachte daran, wie er sie angesehen hatte, als er tief in ihr gewesen
war. Sie war ganz überwältigt gewesen von den Gefühlen, die er bei ihr auslöste. Und jetzt dieses Geständnis. Er hatte sich einen neuen Partner zuteilen lassen, damit er nicht in Versuchung kam, die Gefühle, die er für sie hatte, auszuleben. Der Gedanke freute sie und machte ihr zugleich Angst.
Sie leckte sich mit der Zunge über die Lippen. »Aber wir waren doch meilenweit davon entfernt, uns auch nur zu küssen! Wir haben uns ja noch nicht einmal eingestanden, dass es zwischen uns gefunkt hat.«
»Aber wir hätten es gern getan.« Er musterte sie mit einem wissenden Blick. »Hätten wir weiter zusammengearbeitet, dann wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis etwas passiert wäre.«
Sara schüttelte den Kopf. Alles in ihr rebellierte gegen diese Aussage. »Tut mir leid, aber da bin ich anderer Meinung. Wir hätten uns zurückgehalten.«
Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um.
»Wieso bist du dir da so sicher?«
»Weil ich dich kenne. Du hast mehr Ehrgefühl und Integrität als jeder andere Mensch, den ich kenne. Und mehr Selbstbeherrschung. Und die muss man als Verhandlungsführer bei Geiselnahmen ja wirklich auch haben.«
»Vielen Dank für dein Vertrauen«, sagte er mit einem grimmigen Lächeln.
»Gern geschehen. Und jetzt üb dich dir selbst gegenüber mal ein bisschen in Nachsicht«, sagte sie in dem Versuch, das Thema zu wechseln und die Stimmung wieder etwas zu heben.
»Okay, wenn du das sagst.«
Sara fröstelte trotz der strahlenden Sommersonne, die vom Himmel auf sie niederschien.
Sie stiegen ins Auto und fuhren zu seinem Haus zurück, um zu duschen und sich für die Weinverkostung am Abend umzuziehen. Sara war schweigsam und tief in Gedanken versunken. Heute hatte sie Rafe und seine Gefühle für sie aus einer ganz anderen Perspektive kennengelernt. Ob sie damit würde umgehen können oder nicht, stand auf einem ganz anderen Blatt.
Die Weinverkostung fand in einem städtischen Park statt. Ein reicher Weinbergbesitzer, der an der Organisation dieses jährlich stattfindenden Ereignisses beteiligt war, hatte das betreffende Stück Land gestiftet. Man hatte große Pavillons errichtet, unter denen die Teilnehmer vor der Sonne Schutz suchen konnten, ehe diese lange nach zwanzig Uhr schließlich unterging. Hunderte von Weinverkäufern aus der Region Finger Lakes boten ihre Weine zur Verkostung an.
Sara hielt Rafes warme Hand, während sie sich einen Weg durch die Menge bahnten. Es war ihr gelungen, keine körperliche Nähe zwischen ihnen entstehen zu lassen, solange sie zu Hause gewesen waren. Sie war noch immer mit dem Bau ihres emotionalen Schutzwalls beschäftigt. Bislang hatte sie sich nie verletzlich gefühlt, wenn es um Männer ging, doch nun hatte sie sich mit Rafe eingelassen, wohl wissend, dass es riskant war. Sie hätte sich nie träumen lassen, dass Sex zu derartigen Komplikationen führen könnte – jedenfalls
nicht für eine Frau, die stolz darauf war, stets nach vorne zu blicken und keinem Mann je eine Träne nachzuweinen.
Außerdem gab es im Augenblick Wichtigeres als emotionale Verstrickungen. Es tummelten sich zwar jede Menge Fremde in der Stadt, aber bis jetzt war weder ihr noch Rafe irgendetwas Außergewöhnliches aufgefallen – keine auffälligen Gestalten; niemand, der sie beobachtete.
»Kommt es mir nur so vor oder sind inzwischen doppelt so viele Leute unterwegs wie heute Nachmittag? «, fragte sie ihn.
»Nein, du hast schon Recht, und im Laufe des Wochenendes werden es noch viel mehr werden. Bis Freitagmittag kommen die Gäste, die sich eigens für die Eröffnung des Festivals freigenommen haben, gegen Freitagabend reisen die Besucher an, die schon früh
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