Verliebt in der Nachspielzeit
Hanna blickte zurück zum Topmodel, das frustriert von dannen zog. „Es tut mir leid, wenn ich gestört habe.“
„Hanna“, John schien amüsiert zu sein und schüttelte lächelnd den Kopf. „Das war keine Störung – ganz im Gegenteil.“
„Nun ja“, sie hob das Gesicht ein wenig höher und betonte. „ Sie scheint das anders zu sehen.“
„ Sie war aufdringlich und nervig.“
Hanna schwieg, musterte ihn und erklärte dann: „Ist das nicht das gleiche?“
„Bestimmt.“
„Eigentlich wollte ich mich verabschieden, aber …“
„Nein, bloß nicht“, antwortete er inbrünstig und lehnte sich gegen die Theke. „Ich bin echt froh gewesen, dass du gekommen bist – warum sollte ich dann wollen, dass du so früh gehst?“
Irritiert blickte sie immer noch dem blonden Topmodel hinterher, aber John lachte, stellte ihr ein Glas Weißwein hin und stellte ihr Fragen zu der weiblichen Angewohnheit, in Gruppen auf die Toilette zu gehen. Bald darauf schnappten sie sich zwei Barhocker, setzten sich – was himmlisch für Hannas Füße war – und plauderten über dies und das. Hanna erzählte ihm Witze, die ihn so zum Lachen brachten, dass er beinahe vom Hocker gefallen wäre, oder Einzelheiten zu ihrem Forschungsprojekt, zu dem er interessierte Fragen stellte. Langsam bekam sie einen kleinen Schwips und hatte keine Skrupel, ihm zu erzählen, dass sie im ersten Semester an der Universität es ständig hatte krachen lassen und sehr selten nüchtern gewesen war. Niemals hätte sie dies einem fast Fremden erzählt, schließlich machte das einen nicht gerade guten Eindruck, sondern erweckte eher den Anschein, als wäre sie eine Alkoholikerin. John dagegen fand das anscheinend mehr als sympathisch und beichtete seinerseits, dass er fas t von der Highschool geflogen wäre, als er mit zwei Kumpels während der Pause einen Joint geraucht hatte.
„Warum bist du nicht geflogen?“ Entzückt lauschte sie seiner Antwort und grinste breit.
John lächelte ein wenig beschämt. „Nun ja, erstens war ich der Quarterback und das wichtigste Spiel der Saison stand bevor und …“, er errötete beinahe. „Mein Dad war damals Bürgermeister unserer Stadt.“
„ Aha“, sie nickte amüsiert. „So geht das also.“
„Hey“, beschwerte er sich. „Mein Dad war fuchsteufelswild. Zuhause war die Hölle los und meine Mom …“
„Hat sie dich mit einem Kochlöffel versohlt?“ Hanna grinste diabolisch.
John schnaubte. „Meine Mom?“ Er schüttelte den Kopf. „Meine Mom hat einfach nicht mehr mit mir geredet. Glaube mir, ich hätte lieber Kochlöffel gespürt.“
„Irgendwie glaube ich nicht, dass du danach noch viele Joints geraucht hast.“
John schüttelte den Kopf und lächelte. „Nein … wenn du meine Eltern kennen würdest, könntest du es verstehen. Zwar war ich kein wirklich schlimmer Schüler, aber ab und zu wollte ich rebellieren, doch dann holte mich mein Schuldgefühl ein, wenn ich an meine Eltern dachte.“
„Wie süß.“
„Ach ja?“ Er hob fragend eine Augenbraue an. „Das findest du süß?“
Hanna errötete leicht und zuckte unbeholfen mit der Schulter. „Ja … du scheinst ein gutes Verhältnis zu deiner Familie zu haben. Das ist irgendwie süß.“
Amüsiert strich er über ihren Handrücken und fragte: „Wie sieht es mit deiner Familie aus?“
Ein wenig verwirrt von seiner Berührung musste Hanna erst einmal ihre Gedanken ordnen. „ Ähh, zu meiner Mutter habe ich ein extrem gutes Verhältnis und meinen Stiefvater Gordon mag ich auch sehr. Genauso wie meine Geschwister“, sie brach ab und korrigierte sich: „Halbgeschwister. Zwillinge.“
„Wie alt sind sie?“
„Dreizehn“, sie musste lachen. „Ein furchtbares Alter.“
„Ehrlich? Finde ich nicht.“
„Ich schon!“ Hanna schüttelte den Kopf. „Das letzte Mal haben sich beide über den Esszimmertisch angeschrien und es endete damit, dass die Wand im Esszimmer neu gestrichen werden musste, weil Clara mit der Spaghettisauce um sich geworfen hatte.“
Vor Belustigung erschienen seine Grübchen. „Es hört sich jedenfalls lebhaft an.“
„Beinahe zu lebhaft.“
„Wie warst du denn in dem Alter?“
„Ziemlich schüchtern …“
„Ach Quatsch!“
„Doch“, beharrte sie. „Ich war gerade erst nach England gezogen, hatte einen neuen Stiefvater, besuchte eine neue Schule, musste die Sprache erst richtig lernen und neue Freunde finden. Das war alles ziemlich viel.“
„Kann ich verstehen.“ Er räusperte sich.
Weitere Kostenlose Bücher