Verliebt in eine Gottin
Armen zu halten.
Das Donnern war verklungen, der Wind hatte nachgelassen, und Abby konnte entfernt das sanfte, beruhigende Rauschen des Regens hören, eine freundliche Liebkosung nach dem Zorn des nahenden Sturms. Alles war, wie es sein sollte, ruhig, friedlich. In Ordnung.
Eine ganze Weile später erklang Christophers Stimme, sanft und schläfrig. »Hat dein Hund eigentlich zugleich mit dir aufgeheult?«
Sie musste lachen. »Ich glaube, ja. Ich weiß nicht, wo er steckt – hat sich anscheinend taktvoll zurückgezogen.«
»Großartig«, murmelte er, hob seinen Kopf und blickte auf sie hinab. »Hoffen wir, dass die Stimme in meinem Kopf nur das ist und nicht auch noch Augen hat. Es wäre mir schon lieber, weder für Hunde noch für Götter auf dem Präsentierteller zu sitzen.«
»Ich glaube nicht, dass Milki-la-el ein Gott ist. Nur ein Mathematiker.«
»He«, protestierte Christopher. »Das ist doch nahe dran. Sollen wir hinaufgehen? Nicht dass dieser Ladentisch nicht wundervoll ist, aber er ist so hart, dass mir die Knie wehtun.«
»Und mir mein Po«, setzte sie hinzu. Sie hob eine Hand und schob ihm das zerzauste Haar aus dem Gesicht. »Du merkst, dass das keinen Sinn macht, oder?«
»Liebe muss nicht unbedingt Sinn machen.«
Sie erstarrte und blickte zu ihm auf. »Liebe?«
»Wofür hältst du das denn? Für eine Rehatherapie? Ich bin ein Logiker, das heißt, ich kann logische Schlüsse ziehen. Und bis jetzt war ich meiner Biologie oder schlimmer noch meinen Gefühlen niemals in dieser Weise ausgeliefert. Jetzt bin ich’s. Und wenn das nicht Liebe ist, dann weiß ich nicht, was es sein soll.«
»Und was bringt dich auf den Gedanken, dass ich dich liebe?«
Daraufhin grinste er, und seine attraktiven Grübchen vertieften sich. »Du kannst ja die nächsten sechzig Jahre lang versuchen, mich zu überzeugen, dass du mich nicht liebst«, erwiderte er schlicht. Er löste sich von ihr, rutschte von dem hohen, hölzernen Ladentisch und zog seine Jeans hoch, dann reichte er ihr eine Hand, um ihr herunterzuhelfen. »Klingt das für dich akzeptabel?«
Sie blickte zu ihm auf und fühlte, wie Wärme und Freude sie durchflutete. Sie legte ihre Hand in seine. »Es klingt absolut logisch«, erwiderte sie.
Dann führte sie ihn die Treppe hinauf zu ihrem schönen, weichen Bett.
Kammani wartete vor dem Altar, Umma an ihrer Seite, und bereitete sich auf die Versammlung »Die Wege der Göttin« vor – letzten Samstag waren an die hundert Menschen gekommen, als sie die Plage angekündigt hatte, und heute Abend würden es noch mehr sein, und dieses Wissen, gemeinsam mit der seltsamen und fremdartigen Zufriedenheit, die Minas Pillen ihr verschafften, gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und Ruhe – aber aus irgendeinem Grund saß ihre schwarze Kostümjacke nicht mehr, wie sie sollte. Der Stoff spannte, und die Knöpfe verdrehten sich, als wollten sie davonspringen …
Die Doppeltür öffnete sich, und Sam betrat den Tempel, nass vom Regen.
»Es ist gut!«, rief sie ihm entgegen und ließ ihre Jacke offen stehen. Umma und Bikka sprangen ihm entgegen. »Die Anbeter kommen in Scharen herbei. Wir werden bald wieder herrschen …«
»Nein.« Sam blieb vor den Altarstufen stehen.
Kammanis Lächeln erlosch, und sie fühlte, wie sich unter dem erstickenden Mantel dieser Zufriedenheit die Wüste in ihrem Innersten wieder regte. »Wir haben viele für ›Die Wege
der Göttin‹ auf unserer Seite. Unsere Gottesdienste füllen jetzt dieses Auditorium.«
»Chips?«, winselte Bikka zu Sam empor.
»Nicht hier, Shar hat welche zuhause«, beschied Sam dem kleinen Hund. Dann wandte er sich wieder Kammani zu. »Du hast keine Anbeter, du hast Groupies.«
»Groupies?«, wiederholte Kammani verständnislos.
»Du hast eine Krankheit geschickt …«
»Chips?«, winselte Bikka wieder zu Sam empor.
»Schhhh«, ermahnte Umma sie.
»Ich habe eine Plage geschickt«, erwiderte Kammani und dachte: Was soll die Aufregung? »Das ist vier Tage her, und meine Anbeter mehren sich, während Hunderte sterben …«
Sam schüttelte den Kopf. Er wirkte müde und ärgerlich zugleich. »Mina hat es dir also nicht gesagt, oder?«
Kammani sah ihn mit gerunzelter Stirn an. In einem anderen Leben, einem Leben ohne Pillen, hätte sie sich vielleicht alarmiert gefühlt.
»Du hast eine Plage geschickt, die diese Welt bereits besiegt hat«, entgegnete Sam. »Die meisten Menschen hier sind dagegen geimpft, sie haben eine Medizin genommen, die sie davor
Weitere Kostenlose Bücher