Verliebt in eine Gottin
Körpers fühlte – ein verstörend erotisches Gefühl -, und seine Finger schienen ihre Arme zu streicheln, so wie sie Bowsers Kopf gestreichelt hatten.
Doch ihre Vernunft kehrte zurück, und sie straffte sich. »Tut mir leid. Ich bin sonst nicht so ungeschickt.«
Er starrte reglos auf sie hinunter. Sie war keine kleine Frau, aber er überragte sie mit seinen schlanken, muskulösen eins achtzig mühelos.
»Ich komme morgen Abend um halb sieben und hole die Kekse ab«, sagte er knapp.
Sie sagte nichts. Sie fühlte noch immer seine Hände auf ihren Armen, die Wärme seines Körpers. Aus irgendeinem idiotischen Grund wollte sie wieder dorthin, sich an ihn schmiegen, seine Arme um sich herum fühlen.
Tja, wirklich idiotisch.
Außerdem machte er keine Anstalten zu gehen. Sie hätte gern geglaubt, dass der dunkle Ausdruck in seinen Augen Interesse bedeutete, aber sie wusste es besser. Irgendetwas bereitete dem zugeknöpften Professor Sorgen, und sie hatte keine Ahnung, was es war.
»Sind Sie sicher, dass Sie keine Stimmen hören?«, fragte er.
»Die einzige Stimme, die ich höre, ist Ihre, und auf die kann
ich verzichten«, versetzte sie und bemühte sich, normal zu wirken. Sie wollte ihn nicht noch einmal berühren, aber er regte sich noch immer nicht, deswegen gab sie ihm einen leichten Schubs zur Tür hin und versuchte, die Wärme zu ignorieren, die ihr von den Händen aus durch den Körper wallte. »Morgen, Professor«, sagte sie, wobei sie ihn mit einem weiteren kleinen Schubs auf die Straße hinausbeförderte, und schloss dann die Tür hinter ihm ab.
»Der mag dich«, sagte Bowser, während er neben ihr zur Küche zurücktrottete.
In der hell erleuchteten Küche blieb sie stehen und musterte ihren Hund streng. »Hör mal, es macht mir ja nichts aus, dass ich halluziniere, und noch nicht mal, dass du mich anrempelst und mich ihm in die Arme stößt, aber wenn du schon meine Fantasie bist, dann könntest du auch etwas Vernünftiges von dir geben. Er hält mich für verrückt, und ich hasse ihn.«
»Darauf würde ich nicht zählen«, entgegnete Bowser.
»Meine blühende Fantasie«, murmelte Abby und wandte sich wieder ihrem Teig zu.
Bowser sagte dazu gar nichts.
Shar ging die Temple Street hinunter, und Wolfie zerrte an der Leine, als seien Dämonen hinter ihm her. Sie versuchte, ihre Gedanken auf wichtige Dinge wie zum Beispiel auf das Buch ihrer Großmutter zu lenken, aber es gelang ihr nicht, und daran war nicht nur der Steingott schuld, der sie durcheinandergebracht hatte, oder die Tatsache, dass sie soeben zwei vollkommen Fremde dazu eingeladen hatte, bei ihr zuhause Filme anzusehen – Kommt doch zu mir rüber, ich bewohne die beiden obersten Stockwerke des Stufentempels, es wird euch gefallen -, sondern vor allem die Temple Street, eine Straße, die sie schon ihr ganzes Leben lang kannte, die plötzlich zu schillernden, lebhaften Farben erwacht war: die strahlend gelbe Front der Boutique
an der Ecke, in deren Schaufenstern rote und orangefarbene Gazestoffröcke hingen; Beas Kaffeehaus mit der abblätternden lavendelfarbenen Fensterfront und dem handgeschriebenen »Geschlossen«-Schild an der Tür; Caseys Eisenwarenhandlung mit den Werbeplakaten für blaue und silberne Farben im Fenster – mein Gott, diese Blautöne -, die giftgrüne Fassade von Lionels Bar; und selbst der einfache Eckladen schimmerte weiß hinter den Körben mit leuchtend roten Äpfeln und kräftig grünen Paprikaschoten, und all die Farben schienen sich noch zu verstärken, sobald sie an ihnen vorbeiging.
Diese Blautöne, diese Blautöne . Sie machte kehrt und zerrte einen widerstrebenden Wolfie zu Caseys Schaufenster zurück. Die Farbmuster waren wunderschön, Ultramarin, Lapislazuli, das Meer und der Himmel. Ihre Mutter hatte die Küche halb gestrichen hinterlassen, als sie starb. Ob sie …
»Los, komm«, drängte Wolfie, und gedankenverloren antwortete Shar: »Nur einen Augenblick«, und betrat den Laden.
Hinter dem Ladentisch stand Mr Casey, der schon Farben verkauft hatte, als sie drei Jahre alt war, und begrüßte sie: »Hallo, Shar.«
»Ich möchte Wandfarbe«, sagte Shar.
»Steingrau oder Sandbeige?«, erkundigte er sich.
»Blau«, entgegnete Shar. »Blau wie der Nachthimmel und …«
Mr Casey deutete auf die an der Wand hängenden Farbmuster, und Shar ging hinüber und schaute Musterstreifen durch, und die leuchtenden Farben ließen ihr Herz klopfen – Mitternachtsblau, Bernsteingelb und Pfefferrot -, und
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