Verliebt in eine Gottin
Frederick nachblickte.
»Ich müsste jetzt gehen«, verkündete Daisy und versuchte, das Schwanken aus ihrer Stimme zu verbannen.
»Fein, fein«, meinte Lucille und zog sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht in ihr Büro zurück.
Daisy beschloss, diesem speziellen geschenkten Gaul nicht ins Maul zu schauen. Sie stürmte durch die Tür aus ihrem Büro und eilte den Gang hinunter zur Eingangstür. Draußen schlug ihr grelles Sonnenlicht entgegen, und sie machte einige unsicher schwankende Schritte, bis sich ihre Augen daran gewöhnten.
»He!«, bellte da etwas zu ihren Füßen, und als Daisy hinunterblickte, gewahrte sie einen kleinen Mops, der hinter seiner Herrin herwackelte, einem freakigen Mädchen mit blau gestreiftem Haar.
»Pass doch auf, wo du hintrittst!«, bellte der Mops sie an.
»Hör auf zu bellen, Petunia«, mahnte das Mädchen und lächelte
Daisy kurz zu. »Tut mir leid. Sie regt sich manchmal auf.«
»Schon gut«, erwiderte Daisy. Mit leicht schlackernden Knien stakste sie nach Hause. Nach Hause und zu Abby. Vielleicht würde Abby ihr ein Plätzchen geben …
Abrupt blieb sie stehen. Abby . Abby hatte auch das Tempeltonikum getrunken. Und Shar desgleichen. Sollten die beiden ebenfalls Halluzinationen haben, dann war Daisy nicht verrückt, sondern stand lediglich unter Drogen, und das war tausendmal besser als verrückt. Daisy setzte sich wieder in Richtung des Kaffeehauses in Bewegung, wo, wie sie hoffte, Abby mit einer Platte voller ofenwarmer Plätzchen auf sie warten würde. Sie würden Shar anrufen und sich ihre verrückten 3Fantasievorstellungen gegenseitig erzählen und darüber lachen, dass sie sich wegen Erlebnissen, die eigentlich nicht mehr als ein schlechter LSD-Trip waren, so geängstigt hatten.
Denn mehr war es ja wohl nicht.
Da war sie sich ziemlich sicher.
Shar wachte spät auf. Die Sonne schien bereits in ihr Schlafzimmer. Alles sah irgendwie nach mehr aus – das in die Steinwand gehauene Symbol gegenüber des Bettes wirkte tiefer, der graue Stein schien wärmer, die uralten gemalten Muster an der Decke und an den Wänden schärfer, und als sie sich aufsetzte, fühlte sie zum ersten Mal das Gleiten ihres glatten, abgenutzten ägyptischen Baumwolllakens unter ihrem Körper, fühlte es ganz deutlich und dachte: Wunderbar . Sie kleidete sich an, meinte zu dem noch immer besorgten Wolfie: »Na siehst du? Alles in Ordnung«, und ging gefolgt von ihm die Treppe hinunter. Sie dachte dabei an diese leuchtenden Röcke in dem Schaufenster der Boutique. Ich habe dieses ewige Grau und Braun satt , dachte sie, als sie ins Esszimmer ging und von dort durch den Bogen in die Küche. Ich muss …
Der Gott-König saß an ihrem Tisch, kaute an einem Muffin und las in den Recherche-Unterlagen ihrer Großmutter.
Wolfie knurrte giftig: »Stirb, du Bastard!«, und stürzte sich auf den Eindringling, und Shar schrie: »Nein!«, und packte ihn, als er auch schon die Zähne in den Knöchel des Gottes schlug.
Kapitel 5
Sitz«, befahl der Gott und biss wieder in den Muffin.
Wolfie setzte sich gehorsam, die Zähne noch immer in den Knöchel vergraben, und Shar fiel neben ihm auf die Knie und schirmte ihn nach oben ab. »Bitte tun Sie ihm nicht weh!«
»Natürlich tue ich ihm nicht weh. Schließlich beschützt er dich nur.« Der Gott nickte zu Wolfie hinunter, der noch immer knurrend an dem Knöchel zerrte. »Braver Hund.« Dann lächelte er sie an.
Shar blickte hinauf in dunkle, tief eingesunkene Augen – Hunderte, Tausende von Jahren alte Augen, die nun auf sie hinuntersahen, sie in ihren Bann zogen, bis in ihre Seele hineinblickten – und sie dachte: Oh mein Gott . Er hatte schon gestern Abend gut ausgesehen, als er da außer Gefecht gesetzt auf ihrem Fußboden lag. Heute Morgen aber, im strahlenden Sonnenlicht, sah er einfach göttlich aus.
»Sharrat«, sagte er, und ihr wurde bewusst, dass ihr der Mund offen stand.
Sie klappte ihn zu und blickte zu Wolfie hinab, der knurrend dasaß und mit den Zähnen noch immer den Knöchel gepackt hielt. »Wolfie, lass aus!«
Wolfie ließ aus. »Lass mich beißen, ich will ihn noch mal beißen.«
»Du darfst nicht beißen«, erinnerte sie ihn und hielt die Luft an, als sie bemerkte, dass da keine Bissspuren an dem Knöchel des Gottes zu sehen waren, nein, an dem Knöchel des Mannes , denn das wäre ja lächerlich – er war wunderschön, aber er konnte kein Gott sein. Sie blickte zu ihm auf. »Sie bluten ja gar nicht. Wie ist denn das möglich?
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