Verliebt in eine Gottin
«
»Ich bin ein Gott.« Er biss wieder in den Muffin.
Er aß sogar seinen Muffin wie ein Gott.
Shar wurde sich bewusst, dass sie hyperventilierte. Beruhige dich, sei doch vernünftig . Sie tat einen langsamen, tiefen, beruhigenden Atemzug und betrachtete ihn wieder. Er glich dem Basrelief – der kräftige Körper, das kantige Kinn, diese Augen -, aber er trug ein rotes Flanellhemd und saß in ihrer Küche in der Sonne, aß einen Muffin und las das Manuskript ihrer Großmutter, das er wie eine Morgenzeitung vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Sie wusste, dass er nur ein Mann war, aber er sah aus wie ein Gott. Wie ein himmlischer Donnerschlag, als Holzfäller verkleidet.
Na gut, also, er ist wirklich da, er ist wunderschön, er sitzt in meiner Küche, aber er ist kein Gott . Es musste eine Erklärung geben, es gab immer eine Erklärung, wenn man nur hartnäckig genug suchte. Meistens in einer Fußnote. Aber bis dahin war er einfach ein Fremder, der da an ihrem Esstisch saß, und sie musste ihn loswerden. Schließlich könnte er ja auch ein Irrer sein. Da liefen immer wieder welche frei herum.
»Sie müssen jetzt gehen«, sagte sie und bemühte sich um einen ruhigen, überzeugenden Ton. Als er sie verständnislos anblickte, dachte sie: Na klar, als wenn das je funktionieren würde , und erhob sich mit leicht zitternden Knien, um zum Telefon zu gehen. Ein fremder Mann in ihrer Küche, völlig klar, dass sie um Hilfe telefonieren musste …
Der Hörer bebte in ihrer Hand, und Wolfie grollte: »Ich will ihn beißen, lass mich doch, lass mich doch«, und das war ihr letzter Strohhalm.
»Du hast nicht zu sprechen , du bist ein Hund «, erklärte Shar mit schwankender Stimme, und als Wolfie zurückschreckte, setzte sie hastig hinzu: »Nichts gegen dich persönlich, Baby, du weißt doch, dass ich dich lieb habe, aber du bist …« Plötzlich verstehend, unterbrach sie sich.
»Ach«, stieß sie schließlich erleichtert aus und legte den Hörer
wieder auf. »Ich schlafe in Wirklichkeit noch, und das ist immer noch der Traum. Natürlich.« Sie blickte in Gottes dunkle Augen und weigerte sich, vor der überwältigenden Kraft darin zurückzuschrecken. In einem Traum konnte sie Gott in den Hintern treten, jeder konnte in einem Traum Gott in den Hintern treten. Es war ja nur ihr verrückter Traum . »Hallo, ich bin Shar. Und wer bist du?«
»SAMU-LA-EL«, antwortete er mit einem Widerhall von Donner in der Stimme, und sie blickte ihn nun unerschrocken an und sah wieder, wie schön er da im Sonnenlicht war, das dunkle, kräftige, gelockte Haar, die Haut gebräunt und gesund, der Körper stolz und aufrecht …
Ich bin verdammt gut im Träumen , dachte Shar. »Aha, Samu, und was tust du hier? Kannst du mir das erklären? Den Symbolismus von all dem hier verstehe ich nicht.« Abgesehen davon, dass es die Erfüllung aller Träume wäre .
»Ich bin SAMU-LA-EL …«
»Ja, das hatten wir schon.«
»… UND BIN ZUR OPFERUNG ZURÜCKGEKEHRT.«
»Ja, ich hab gestern Abend dein Steinposter im Hörsaal gesehen.« Shar zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch. »Du bist also zurückgekommen, um dich für eine gute Ernte opfern zu lassen? Tja, dann hab ich gute Nachrichten für dich. So was wird heutzutage nicht mehr gemacht.« Sie beugte sich näher zu ihm. »All diese Menschenopfer? Das ist ungesetzlich. Deswegen …«
»UNGESETZLICH?«, wiederholte er, und Shar wich mit klopfendem Herzen wieder zurück. Traum, es ist nur ein Traum . Sie betrachtete ihn, seine Hände, die er flach vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Selbst seine Unterarme waren wunderbar kraftvoll. Er konnte wahrscheinlich …
Der Gott schüttelte den Kopf, sagte »Nein« und hob seinen angebissenen Muffin in die Höhe. »Die schmecken sehr gut.«
»Hör mal«, begann Shar und holte Luft. »Ich glaube nicht, dass du ein Gott bist.«
»Er ist ein Gott«, sagte Wolfie.
Sie blickte zu ihm hinunter. »Und ich glaube nicht, dass du mit mir sprichst.«
»Er spricht mit dir«, sagte Samu.
»Als wenn ich euch beide füreinander als Zeugen aussagen lassen würde«, versetzte Shar und wurde sich der Absurdität bewusst, dass sie in einem Traum auf Glaubwürdigkeit aus war. Sie starrte Samu an. So verdammt schön war er auch wieder nicht. »Was tust du eigentlich in meinem Traum? Was willst du hier? Und woher hast du dieses schreckliche Hemd?«
»Kammani hat mich gerufen, und ich bin auferstanden.« Samu biss wieder von dem Muffin ab und sah
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