Verliebt in eine Gottin
den Kummer in seinem Gesicht.
Dämonentöter , größter aller Könige , dachte sie. Und Retter der Hundewaisen .
»Bei uns sind Hunde nicht heilig«, erklärte sie und drückte Milton an sich. »Nun ja, zumindest nicht für jeden.« Sie blickte auf den Welpen hinab, der nun mit rundem Bauch und halb geschlossenen Augen still lag. »Manche von uns beten sie noch immer an.«
Sam streckte die Hände aus, und sie übergab ihm Milton, ohne zu zögern, beeindruckt von der Sanftheit seiner großen Hände, als er das kleine Bündel Welpe in Empfang nahm.
»Geht’s dir jetzt gut?«, fragte Sam, und Milton erbrach sich auf das Dicky-Hemd.
»Ach du liebe Zeit.« Shar erhob sich.
»Er hat zu schnell gefressen«, meinte Sam unbeeindruckt und reichte Milton zurück. Dann zog er sein Hemd aus.
Herrgott noch mal , dachte Shar und wandte sich ab, Milton an sich gedrückt. Da fängst du an, jemanden gerade mal für einen netten Kerl zu halten, der Hunde gern hat, und dann zieht er sein Hemd aus, und du siehst, dass er doch ein Gott ist. Sie wandte ihm weiter den Rücken zu, doch allein die Erinnerung an diese breite, muskulöse Brust, das dunkle Haar, das sich dort lockte … Sie stellte fest, dass sie schwer atmete und ihre Haut sich seltsam prickelnd und heiß anfühlte. »Was musstest du auch auf sein Hemd kotzen, hmm?«, murmelte sie Milton zu.
»Ich brauche ein Hemd«, ertönte Sams Stimme hinter ihr.
»Ich habe keins, das dir passen würde«, erwiderte sie. »Wo ist dein rotes Flanellhemd?« Sie wartete einen Augenblick, stählte sich dann innerlich und drehte sich um.
Er war fort.
Vielleicht war er verschwunden, um sich ein neues Hemd zu besorgen. Aus der XXL-Abteilung bei Walmart.
Jetzt aber genug damit , schalt sie sich selbst. Diese Eifersucht ist einfach lächerlich, und genauso dieses aufgeregte Hyperventilieren. Wenn du eine Göttin bist, dann benimm dich auch so. Dieser Kerl ist ein vollkommen enthemmter Diener der Satanin selbst. Sollte er dich küssen – bei diesem Gedanken wirbelte alles einen Augenblick lang um sie herum -, dann wirst du zu einem mesopotamischen Zombie, der dieser verrückten Kammani dient. Also willst du, dass er hier verschwindet, du willst ihn nie wiedersehen …
Sam erschien, sich sein Flanellhemd zuknöpfend, wieder in der Küche. »Darf ich die Nacht in deinem Tempel zubringen, Shar?«
»Aber sicher«, antwortete sie. Na ja, zum Teufel, schließlich hatte er gerade einen kleinen Hund gerettet. Es war das Mindeste, was sie für ihn tun konnte. »Du kannst in dem Schlafzimmer meiner Großmutter schlafen.«
Noch immer Milton auf dem Arm, ging sie durch den Bogengang in den Raum ihrer Großmutter und zog die schweren Vorhänge zur Seite, die ihn von der Küche trennten. »Ich habe hier schon monatelang nicht mehr abgestaubt.«
Milton nieste.
»Ich bin an Staub gewöhnt«, erklärte Sam, und es klang so modern, dass Shar ihn einen Augenblick anstarrte; er jedoch blickte sich in dem Raum um, als sei er schon hier gewesen, und der Ausdruck auf seinem Gesicht besagte, dass es keine schöne Erinnerung war.
»Sie hat dich doch wohl nicht ausgerechnet hier geopfert, oder?«, fragte Shar entsetzt.
»Nein«, erwiderte er. »Das war in dem geheimen Raum mit dem Altar. Dort, wo sich Kammani jetzt aufhält.«
»Ach«, machte Shar. »Und was war hier?«
»Soll ich dir Milton abnehmen?«, fragte Sam, statt zu antworten. »Oder soll er heute Nacht bei dir bleiben?«
»Dies hier war Sharrats Schlafraum«, setzte Shar ihren Gedanken fort. »Hast du hier mit ihr gelebt?«
»Ich habe nie mit Sharrat gelebt«, antwortete er, und es klang überrascht.
»Sie war deine Geliebte«, vermutete Shar.
»Nein.«
Es klang nicht wie eine Lüge.
Verflucht noch mal . Shar dachte nach. Ihre Großmutter war vor zwanzig Jahren gestorben, aber Shar erinnerte sich noch genau an die alte Dame mit den Haaren auf den Zähnen, an die Entschlossenheit in der seidenweichen Stimme, die einst zu ihr sagte: »Du bist nicht so, wie wir dich brauchen, Mädchen, du hast kein Rückgrat, aber du wirst eben genügen müssen.« Sharrat war damals in Mesopotamien wahrscheinlich ein wahres Teufelsweib gewesen. Passend für einen Gott.
Shar schluckte schwer. »Es tut mir leid, Sam. Sie hat lange gelebt, sie war schon in den Neunzigern, als sie starb. Meine Mutter sagte mir, sie habe auf etwas gewartet, das nie kam.« Sie versuchte ein Lächeln. »Ich nehme an, das warst du.«
»Nein«, entgegnete Sam. »Das war Kammani.
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