Verliebt in eine Gottin
damit anderen überlegen sind, kompensieren sie in Wirklichkeit nur ein inneres Unterlegenheitsgefühl oder einen Mangel an echter menschlicher Wärme. Es sind jämmerliche Wichser, und wenn du dich so aufführst, bist du um nichts besser.« So viel zum Thema Ruhe bewahren.
»Jämmerliche Wichser«, wiederholte Sam.
»Das ist der Fachbegriff«, erklärte Daisy. »In der Umgangssprache nennt man sie Weiberheld.« Sie schob ihm die Keksschüssel hin. »Greif zu.«
»Mach dir nichts daraus«, fuhr Shar fort. »Vor viertausend Jahren warst du als Gott wahrscheinlich im Einklang mit den vorherrschenden Wertvorstellungen. Nur leben wir jetzt im 21. Jahrhundert, und du bist gerade mal vier Tage hier und hast wahrscheinlich schon mit einem Dutzend Frauen geschlafen …«
Sam öffnete den Mund, und Wolfie wedelte wild und winselte: »Sag es nicht, sag es nicht.«
»Mit mehr als einem Dutzend«, sagte Shar an seiner Stelle und riss sich zusammen.
»Hat sich irgendeine beschwert?«, fragte Sam und blickte ehrlich besorgt drein. »Hat mich eine einen Wichser genannt?«
»Nur ich«, erwiderte Shar. »Keine beschwert sich. Sie singen wahrscheinlich alle dein Loblied. Sie gründen wahrscheinlich schon Fanclubs.«
»Tempel«, verbesserte Sam.
»Ich habe nur Spaß gemacht«, versetzte Shar, wandte sich um und starrte ihn an.
»Ich auch«, erwiderte Sam.
Shar musterte ihn erstaunt. »Wo hast du denn gelernt, die Leute zu veräppeln?«
»Ich bin schon fünf Tage lang hier«, antwortete Sam. »Ihr seid nicht so kompliziert.«
»Ach ja?« Shar dachte darüber nach. »Nein, wahrscheinlich nicht. Na, ist ja auch egal.« Sie wandte sich wieder ihrem Gemälde zu.
Sam erhob sich, stand hinter ihr und betrachtete das Wandgemälde. Er war ihr so nahe – selbst mit geschlossenen Augen hätte sie gewusst, dass er es war -, dass sie sich mit Gewalt zusammennehmen musste, um sich nicht zu ihm umzudrehen.
»Hunde und Göttinnen«, sprach Sam.
»Was?«
»Hunde und Göttinnen«, wiederholte er. »Das ist dieser Ort hier. Ein guter Name für diesen Ort.«
»Mir gefällt er«, meinte Abby.
Shar wandte sich um, blickte zu ihm auf und begegnete seinem Blick, diesen dunklen, leidenschaftlichen Augen, die sich an ihr festsaugten.
»Hunde und Göttinnen«, sagte er nochmals. »Das Beste auf der ganzen Welt. In meiner Welt.«
In meiner auch , dachte sie, und sie küsste ihn nur deshalb nicht, weil Abby und Daisy sie beobachteten und weil es überhaupt eine dumme Idee war; aber sie wünschte es sich, und die Erinnerung an jenen ersten Kuss kam ihr im ungünstigsten Augenblick wieder in den Sinn. Dann nickte er und wandte sich ab und ging hinaus, und sie wusste, dass er zu Kammani ging, weil der Hundeerziehungskursus in drei Stunden begann.
Es macht nichts , dachte sie, obwohl es natürlich sehr wohl etwas ausmachte. Aber sie konnte nichts dagegen tun, also wandte sie sich wieder ihrem Wandgemälde zu. Nachdem sie dem Kaffeehaus zum Schluss noch eine neue, gelb und korallenrot gestreifte Markise verpasst hatte und den neuen Namen »Hunde und Göttinnen« als Fensteraufschrift aufgetragen hatte, sah alles ganz genauso aus, wie es sollte.
Abby kam aus der Küche und erklärte: »Das gefällt mir.«
»Gut«, meinte Shar, die noch davorstand. Diese Wand war um vieles besser als ihr Leben.
»Äh, ich muss noch mal weg«, verkündete Abby.
»Okay.«
»Ich muss mich mit einem Mann über eine Stimme unterhalten.«
»Okay.«
Shar starrte das Wandgemälde weiter an, während Abby verschwand. Auch Daisy erschien, um es sich anzusehen. »Ich sehe, was dein Problem ist«, meinte sie ruhig.
»Habe ich etwas falsch geschrieben?«, erkundigte sich Shar und blickte die Fenster mit ihrer Aufschrift mit zusammengekniffenen Augen prüfend an. »In ›Göttinnen‹ sind so viele Ns.«
»Nein«, wehrte Daisy ab. »Ich meine, wegen Sam. Er ist ein Weiberheld, na gut, aber du kannst ihm vertrauen, genau wie ich Noah vertraue. Manchmal muss man einfach mal an etwas glauben, Shar. Du kannst nicht dein ganzes Leben mit Fußnoten verpflastern, immer alles doppelt und dreifach absichern.«
»Tja«, stimmte Shar zu und betrachtete die drei Gestalten, die sie auf der Wand skizziert hatte. »Ich glaube, ich werde an Göttinnen glauben. Ich glaube an uns drei.«
Dann wandte sie sich wieder ihrer Malerei zu und dachte bei sich: Und an Sam .
In letzter Minute entschied sich Abby, zu Fuß zu gehen. Sie hatte nur eine vage Vorstellung, wo Christophers
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