Verliebt in eine Gottin
überdeutlich vorschwebten, und der Kontrast zwischen der Kohle und dem Weiß war aufregend, der Schwung der rauen, unebenen Linien, die sie in kratzenden Kurven zog, ließ sie schneller atmen, und ihre Stimmung hob sich immer mehr, während sie zeichnete, denn das war genau das Richtige für sie, dieses Bild, diese Wand, dieses Kaffeehaus, diese Freundinnen …
Sie lehnte sich gegen die Wand, bis das krampfhafte Beben nachließ, während Daisy hinter ihr einen Plan für das Kaffeehaus machte: Webseite, Logo, hauseigenes Punschgetränk, Souvenir-Kaffeebecher, T-Shirts und so weiter.
»Hört sich wirklich gut an«, meinte Abby. »Vielleicht kann ich auch Kammanis Tonikumrezept nachmachen.«
Shar zeichnete wieder. »Das wäre vielleicht etwas. Wenn wir herausfinden, welche Zutaten darin sind, die uns so in die Höhe puschen, ohne dass wir es uns von Kammani holen müssen …«
Abby nickte. »Ich habe Grandma Beas Notizbücher gefunden, und daraus geht eindeutig hervor, dass auch sie versucht hat, es herauszufinden. Ich bin mir nicht sicher, wie sie überhaupt über das Tempeltonikum Bescheid wissen konnte, aber
ich vermute, dass es da so etwas wie eine genetische Erinnerung gibt. Na ja, jedenfalls würde sich das Zeug wie verrückt verkaufen, und deswegen bin ich ganz dafür, dass wir diesen Laden groß aufziehen. Da gibt es nur ein Problem: Wer kann für den Logo-Entwurf und all das Zeug bezahlen?«
Shar winkte ab. »Ich habe Geld. Wenn ihr die Webseite entwerfen könnt, gut. Ich kenne dafür einen Kunstprofessor, der mir gegen Bezahlung das Logo entwirft. Aber diese Butterkekse, so gut sie auch schmecken, das sind nicht einfach Kekse, und dieser Punsch ist nicht einfach nur ein Punsch. Wir spielen da mit übernatürlichen Kräften, die wir nicht verstehen, und …«
»Und wir könnten jeden schlechten Horrorfilm zitieren, der je gedreht wurde«, versetzte Daisy. »Was gibt es da zu verstehen?«
»Kammani«, erwiderte Shar. »Sie hat bei Abby schon so eine Art Gehirnwäsche versucht, schon vergessen? Und da ist Sam, der mit ihr zusammenarbeitet.« Und Noah . Sie hörte auf zu zeichnen und blickte die beiden an. »Ich finde, wir sollten heute Abend nicht zu dem Kursus gehen.«
»Traust du Sam nicht?«, fragte Abby. »Er scheint wirklich nett zu sein.«
»Er ist auch wirklich nett«, erwiderte Shar und versuchte, nicht an ihn zu denken, wie er Milton hielt, während sie Filme ansahen, oder an die Ernsthaftigkeit, mit der er Fragen über The Big Lebowski stellte, oder die überraschende Sanftheit, die er bei manchen Dingen an den Tag legte. Er war kein komplizierter Mann, und er war ein guter Mann. Außer … »Aber er arbeitet mit Kammani zusammen. Das erweckt nicht gerade mein Vertrauen.«
»Noah auch«, gab Daisy zu bedenken. »Und ihm vertrauen wir.«
Shar wandte den Blick wieder der Wand zu. »Ich glaube, ich bin jetzt so weit, dass ich mit dem Malen anfangen kann.«
»Wir vertrauen Noah«, wiederholte Daisy fest. »Nicht wahr, Shar?«
»Wo ist denn Sam?«, fragte Abby.
»Zuhause bei den Hunden.« Oder zu einem Quickie weggegangen. Der Bastard .
»Shar?«, bohrte Daisy nach.
»Ich meine, in dem Wandbild«, verbesserte Abby und stellte sich neben Shar.
Shar schüttelte den Kopf. »Er gehört nicht auf diese Wand. Das ist unsere Wand.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, entgegnete Abby. »Aber es ist dein Wandgemälde. Ich muss jetzt die nächsten Plätzchen backen. Ich bin einverstanden, wenn wir heute Abend nicht zu dem Kursus gehen. Ich werde an dem Tonikumrezept arbeiten.« Damit ging sie wieder in die Küche, während Daisy Shar nachdenklich ansah.
»Es ist deine Wand, aber du willst deinen Kerl nicht dort dabeihaben.«
»Er ist nicht mein Kerl«, widersprach Shar leichthin. Sie zog eine Linie auf der Wand, und der Kohlestift brach unter dem Druck ihrer Hand.
»Shar Summer, in dir drin sind einige Federn viel zu stark angespannt«, stellte Daisy fest. »Wenn sie reißen, dann gehst du jemandem an die Kehle.«
»Ich bin eben nicht so vertrauensvoll wie du«, erwiderte Shar elend. Sie hatte sich so glücklich gefühlt, eingelullt durch die Farbe und den Punsch und Sam. Aber plötzlich überfiel die Realität sie wieder. »Über Noah kann ich nichts sagen, weil ich ihn nicht kenne, aber Sam … Sam ist Kammanis rechte Hand. Und außerdem hat Sam, seit er hier ist, schon mit mindestens einem Dutzend Frauen geschlafen. Er kann sich kaum an ihre Namen erinnern, aber er sammelt ihre
Weitere Kostenlose Bücher