Verliebt in eine Kidnapperin?
Arbeitnehmer zu sein, um den sich die Vorgesetzten rissen. Dafür war er einfach zu bockig und unzugänglich.
Kirsten gegenüber formulierte er es allerdings etwas diplomatischer. „Dein Bruder scheint recht empfindlich zu sein.“
„Leider. Er ist schon lange nicht mehr richtig zufrieden gewesen.“
„Warum nicht?“
„Er hat ein paarmal Pech gehabt und irgendwie den Mut verloren. Außerdem fühlt er sich von mir bevormundet.“
Jeremy sagte nichts.
„Du darfst mich nicht falsch verstehen. Ich liebe meinen Bruder“, versicherte sie schnell. „Und ich will nur das Beste für ihn. Aber seine Pechsträhne dauert schon ziemlich lange, und es scheint kein Ende in Sicht zu sein. Im Grunde ist er ein ziemlich unsicherer Mensch. Das liegt wohl an unserer Kindheit. Da gab es einiges, was er nicht so weggesteckt hat wie ich. Ich habe mich immer bemüht, mich davon nicht unterkriegen zu lassen.“
„Was denn?“ Jeremy bedauerte jeden, der nicht so eine glückliche Kindheit gehabt hatte wie er selbst.
„Unser Vater hat uns verlassen, als ich vierzehn war.“ Sie blickte auf ihr halb aufgegessenes Sandwich, ehe sie Jeremy wieder ansah. „Es war nicht leicht für mich, aber für Max war es eine Katastrophe. Damals war er gerade zwölf Jahre alt. Er geriet völlig aus der Bahn, hatte ziemlich viele Probleme und brach irgendwann die Schule ab.
Mom musste einen zweiten Job annehmen, um uns durchbringen zu können. Deshalb habe ich auf Max aufgepasst und versucht, ihn wieder auf die richtige Bahn zu bringen.“ Kirsten packte die Hälfte ihres Sandwiches ein und legte es in die Kühlbox. „Unglücklicherweise war ich nicht besonders erfolgreich.“
Jeremy hatte den Eindruck, dass sie sich das Schicksal ihres Bruders zu sehr zu Herzen nahm. Es war nicht gut für sie. Tröstend legte er ihr die Hand auf den Arm. „Max ist mittlerweile erwachsen, Kirsten. Und sosehr du es dir auch wünschst – du wirst nicht bis ans Ende seines Lebens sein Schutzengel sein können.“
„Du hast ja recht. Aber wenn du wüsstest, was er in letzter Zeit alles durchgemacht hat, ist es schwer, kein Mitleid mit ihm zu haben.“ Der Kummer in ihrem Blick versetzte ihm einen Stich ins Herz.
Max konnte sich glücklich schätzen, eine Schwester wie Kirsten zu haben. Ob er das überhaupt zu würdigen wusste? Jeremy bezweifelte es.
„Als unsere Mutter vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam, hatte Max sein Leben gerade wieder ein bisschen in den Griff bekommen. Er ging auf die Abendschule und wollte seinen Abschluss nachholen. Aber nach dem Begräbnis hat er nur noch mit seinen Freunden rumgehangen.“
Jeremy spürte, was sie ihm eigentlich damit sagen wollte: Max hatte sich von ihr abgewandt.
„Mein Bruder hat nicht immer die richtigen Freunde gehabt“, fügte sie hinzu. „Deshalb ist er auch andauernd in Schwierigkeiten geraten. Es war natürlich nichts Gravierendes. Aber weil er am Wochenende nur auf Partys war, ist er montags selten zur Arbeit erschienen. Seine Jobs hat er nie lange behalten.“
„Und du unterstützt ihn seitdem?“, wollte Jeremy wissen.
„Mehr oder weniger. Für den Unfalltod meiner Mutter bekamen wir ein bisschen Geld von einer Versicherung. Es reichte aus, um mein Haus anzuzahlen und etwas beiseitezulegen. Max hat seinen Anteil sofort verjubelt. Vor drei Jahren musste er sich bei mir Geld für ein Auto leihen.“
„Und du hast es ihm gegeben?“
„Ich musste es tun. Wie hätte er sonst einen Job finden können?“
„Den er dann doch nicht behalten hat“, vermutete Jeremy.
„Nein. Jetzt konnte er auch seine Miete nicht mehr zahlen. Und weil ich beim Mietvertrag für ihn gebürgt habe … tja, da musste ich ihm nun auch helfen.“ Sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Schließlich hatte ich die Nase voll und ihm gesagt, dass er endlich für sich selbst sorgen müsste.“
„Wie hat er reagiert?“
„Nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Damals hatte er gerade Courtney kennengelernt – Anthonys Mutter –, und eine Zeit lang schien alles bestens zu laufen. Als er dann mit ihr Schluss gemacht hat – oder besser: sie mit ihm –, habe ich zuerst befürchtet, dass alles wieder von vorn beginnt. Aber so war es nicht.
Inzwischen hatte er nämlich auch diese Arbeit in der Tierhandlung, die ihm wirklich Spaß gemacht hat. Er mag Tiere, besonders Pferde. Umso schlimmer hat ihn die Entlassung getroffen, und er hat immer noch daran zu knacken.“ Sie warf einen Blick in
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