Verliebt in eine Kidnapperin?
darauf gekommen, Finanzbuchhalterin zu werden?“, erkundigte er sich. Seiner Meinung nach wäre sie besser in einem Beruf aufgehoben, in dem sie sich um andere Menschen kümmern konnte. Sie hätte bestimmt eine gute Lehrerin oder Krankenschwester abgegeben.
„Ich war immer gut im Rechnen, deshalb lag so ein Beruf nahe. Wenn ich heute zurückblicke, glaube ich, dass mich diese Arbeit auch deshalb faszinierte, weil sie Ordnung und Struktur in mein Leben gebracht hat.“
Vermutlich, weil ihr Bruder für das Gegenteil sorgte – Unruhe und Unsicherheit. So konnte sie sich wenigstens in ihrem Job an die Gesetze der Mathematik halten. Sie waren konstant und berechenbar.
Jeremy überlegte, ob er Max irgendwie helfen könnte. Es würde Kirstens Leben bestimmt sehr viel leichter machen, wenn das ihres Bruders wieder ins Lot kam.
Gerade als sie Kirstens Haus erreichten, vor dem Jeremy seinen Wagen geparkt hatte, bog Max um die Ecke und stellte seinen kleinen weißen Lieferwagen in die Einfahrt – offenbar das Fahrzeug, das er sich mit Kirstens geliehenem Geld gekauft hatte.
Heute schien er bessere Laune zu haben, und Jeremy fragte sich im Stillen, ob er ihn vielleicht falsch eingeschätzt hatte.
„Wie ist es gelaufen?“, fragte Kirsten ihren Bruder.
Max zuckte mit den Schultern und schnitt eine Grimasse.
Jeremy bedauerte, nicht mehr Zeit zu haben. Sonst hätte er Max vielleicht auf ein Bier eingeladen. Ein Gespräch von Mann zu Mann wirkte manchmal Wunder. Aber die Pflicht rief ihn zurück in die Klinik.
„Ich rufe dich später an.“ Er überlegte, ob er Kirsten einen Abschiedskuss geben sollte, aber in Gegenwart von Max wollte er das lieber nicht tun.
„Gut.“ Sie lächelte, und er fragte sich, ob sie möglicherweise den gleichen Gedanken gehabt hatte. „Ich wünsche dir noch einen schönen Nachmittag.“
„Den wünsche ich dir auch.“
Beim Einsteigen hörte Jeremy, wie Max zu seiner Schwester sagte: „Sieht ganz so aus, als würde er zur Gewohnheit.“
Jeremy war sich nicht sicher, was er damit meinte, aber er hoffte, dass Max recht behielt.
Denn auch Kirsten Allen war ihm schon fast zu einer lieben Gewohnheit geworden – und eine, die aufzugeben von Tag zu Tag schwieriger wurde.
6. KAPITEL
„Was hast du denn mit dem Doktor gemacht?“, wollte Max wissen, während er Kirsten ins Wohnzimmer folgte. „Mutter und Vater gespielt?“
Sie warf ihrem Bruder einen entrüsteten Blick zu und schob den Kinderwagen neben das Sofa.
Eben hatte er noch darüber gespottet, dass die Treffen der beiden allmählich zur Gewohnheit wurden. Es war ihr peinlich gewesen, zumal Jeremy es bestimmt mitbekommen hatte. Deshalb hatte sie es nicht weiter kommentiert. Jetzt aber reichte es ihr. „Du gehst zu weit, Max.“
„Ach, komm. Du hast doch schon als kleines Mädchen vom Heiraten und einem Baby geträumt. Damals hast du immer so getan, als wärst du meine Mutter. Und jetzt tust du so, als wärst du Anthonys Mutter.“
Seine grundlosen Vorwürfe ärgerten sie maßlos. Natürlich hatte sie als Mädchen gern mit Puppen gespielt, und als Max auf die Welt kam, hatte sie ihn genauso gehätschelt wie ihre Puppen.
Und warum auch nicht? Die meisten Mädchen behandelten ihre kleinen Brüder so. Dass Max ihr jetzt irgendwelche Gründe oder Ambitionen unterstellte, war geradezu absurd.
„Seiner eigenen Mutter scheint Anthony ja ziemlich gleichgültig zu sein. Du solltest dem lieben Gott danken, dass ich mich um ihn kümmere und dir helfe.“
Anthony begann zu greinen. Ihr Streit hatte ihn aufgeweckt. Doch statt ihn aus dem Wagen zu nehmen und zu trösten, wie sie es sonst immer tat, ließ sie ihn schreien.
„Dein Sohn ruft nach dir“, bemerkte sie. „Er braucht eine frische Windel und seine Flasche. Du bist dran.“
Kirsten rauschte aus dem Zimmer und griff nach ihrer Handtasche, die auf einem Regal neben der Treppe stand. Sie schlang sich den Henkel über die Schulter und ging zur Tür.
„Wo gehst du hin?“, rief Max ihr hinterher.
Die Hand am Türknauf, drehte sie sich um und schaute ihn über ihre Schulter an. „Weg. Und ich kümmere mich nur um mich selbst. Ich hoffe, du hast nichts dagegen!“
Krachend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
Eine frische Brise wehte ihr Haar durcheinander und eine Strähne ins Gesicht. Ärgerlich wischte Kirsten sie beiseite, setzte sich in ihren Wagen und startetet den Motor.
Ziellos kurvte sie durch die Stadt, ohne zu wissen, was sie eigentlich dort wollte. Andere
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