Verliebt in eine Kidnapperin?
war?
Schließlich sagte Max: „Ach, du würdest es ohnehin nicht verstehen.“
„Sag mir, was dich bedrückt. Vielleicht kann ich dir helfen. Wir sind eine Familie.“
Doch er klappte zu wie eine Auster und schwieg.
Sie hätte natürlich insistieren können. Irgendetwas machte ihm zu schaffen, und er ließ es an ihr aus. Aber sie hatte so oft Nachsicht mit ihrem Bruder gehabt, dass sie einfach keine Lust mehr verspürte, weiterhin Rücksicht auf seine Launen und Probleme zu nehmen.
Seit sie denken konnte, war sie ihm Mutter und Vater zugleich, eine Rolle, die ihr immer schwerer fiel, zumal seitdem er so unberechenbar geworden war und sämtliche Ratschläge und Hilfe von ihr vehement ablehnte. Nur das Geld, das sie ihm zusteckte, nahm er ohne Widerspruch an.
Vielleicht sollte sie einfach ein bisschen strenger mit ihm sein. Andererseits musste er jetzt auch seinen Vaterpflichten nachkommen – gewiss keine leichte Aufgabe. Immerhin war es beruhigend zu wissen, dass er bereit war, Verantwortung zu übernehmen.
Aber würde er auch allein für das Baby sorgen können? Sie bezweifelte es stark.
Um Viertel vor zwölf am nächsten Tag begutachtete Jeremy die Röntgenaufnahme eines älteren Patienten. Sosehr er sich auch auf das Bild zu konzentrieren versuchte, musste er doch andauernd an Kirsten denken. Ob sie mit ihm zu Mittag essen würde?
Sie hatten sich für den folgenden Tag zum Abendessen verabredet, aber die Zeit bis dahin erschien ihm viel zu lang. Kurz entschlossen griff er zu seinem Handy und rief sie an. Vielleicht würde er sie zu einem gemeinsamen Mittagessen überreden können.
Sie antwortete nach dem zweiten Signalton. Als er ihr seinen Vorschlag unterbreitete, sagte sie: „Das wäre sehr schön, aber Max ist gerade auf Arbeitssuche, und ich muss auf Anthony aufpassen.“
„Soll ich mit dem Essen zu dir kommen?“, fragte er.
Er bildete sich ein, das Lächeln in ihrer Stimme zu hören. „Gern.“
„Wie wäre es mit Truthahnsandwich?“
„Perfekt. Ich kümmere mich um die Getränke, etwas Obst und …“ Sie musste lachen. „Aber bring bitte kein Dessert mit. Davon habe ich noch reichlich.“
Zwanzig Minuten später ging Jeremy in die Mittagspause. Kurz darauf stand er mit dem Mittagessen aus dem Supermarkt vor Kirstens Haus. Ihr strahlendes Lächeln ließ sein Herz aufgehen.
Sie führte ihn in das gemütliche Wohnzimmer, wo das Baby in seinem Kinderwagen lag.
„Wolltest du weggehen?“
„Hast du denn Lust auf einen Spaziergang?“
„Warum nicht?“ Egal, was sie ihm vorschlug, er würde zustimmen.
„In der Nähe ist ein Park. Bei dem schönen Wetter könnten wir doch eigentlich ein Picknick machen“, schlug sie vor.
„Hört sich gut an.“
Jeremy hatte schon seit Jahren kein Picknick mehr gemacht.
„Ich habe Eistee und ein paar Leckereien eingepackt.“ Sie griff zu einer Kühltasche, die neben dem Sofa stand.
„Lass mich das tragen.“ Er nahm ihr die Tasche aus der Hand. „Du hast genug mit dem Kinderwagen zu tun.“
Der „Park“ war kaum mehr als ein kleines Rasenstück mit einem Spielplatz und einigen Picknicktischen. Um diese Tageszeit – die Kinder waren in der Schule – hatten sie den Platz für sich allein.
Kirsten stellte den Kinderwagen neben einen der Tische in den Schatten eines Baumes und holte das Essen hervor: Sandwiches, Obst, Eistee und Käsekuchen. Da Jeremy nur eine Stunde Mittagspause hatte, begannen sie sofort zu essen.
Es machte Spaß, sich mit Kirsten zu unterhalten, denn sie war eine gute Zuhörerin. Jeremy erzählte ihr von seinen Patienten, um die er sich am Morgen gekümmert hatte – einem älteren Mann mit einer gebrochenen Hüfte und einem Jungen, der sich während der Schulpause den Arm gebrochen hatte.
Was andere Menschen vielleicht als langweilig empfunden hätten, schien sie tatsächlich zu interessieren. Jedenfalls lehnte sie sich über den Tisch und lauschte aufmerksam.
Die Sonne schien, eine milde Brise wehte und Jeremy überlegte, dass es schön wäre, jeden Tag in ein Haus zurückzukommen, in dem jemand auf ihn wartete. Da sie sich allerdings gerade erst kennengelernt hatten, war es viel zu früh, um über solche Dinge nachzudenken.
„Hat dein Bruder inzwischen Arbeit gefunden?“, erkundigte er sich. „Oder ein paar Vorstellungsgespräche gehabt?“
„Leider noch nicht.“ Kirsten legte ihr Sandwich beiseite und griff nach einem Stück Apfel.
Das überraschte Jeremy nicht wirklich. Max schien ihm nicht der Typ
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