Verliebt in einen Gentleman
stöhnt. „Nicht nur, dass man in der Schule den Ärger mit den daddelnden Schülern hat, jetzt musst du auch noch damit anfangen.“
„Ethan, ich bin richtig gut. Stell dir vor, ich bin seit Weihnachten schon bei Level 112 angekommen. Das ist total cool.“
Ethan findet das anscheinend überhaupt nicht cool.
„Lea“, sagt er, (mittlerweile bin ich dahinter gekommen, dass er mich immer nur Lea nennt, wenn er sich über mich ärgert), „mir ist so etwas von scheiß-egal, was du spielst und in welchem Level du bist. Mach das blöde Ding aus und leg dich schlafen. Sofort!“
Zähneknirschend lege ich das Handy weg.
„Okay, Ethan, sorry.“
Ethan dreht sich auf die Seite, stützt seinen Kopf auf seinen Ellenbogen und sieht mich an. „Sag mal, Lea, willst du denn nie erwachsen werden? Muss ich mich immer wieder mit deinen kindlichen Anwandlungen auseinandersetzen?“
„Quatsch, musst du nicht“, sage ich. „Leg dich wieder hin. Ich bin jetzt lieb. Und schlaf schön.“
Bald ist er wieder weg genickt. Meine Finger jucken danach, das Handy vom Nachttisch zu nehmen und doch weiter zu spielen, aber ich lass es bleiben. Vielleicht habe ich es schon ein wenig mit dem Spielen übertrieben. Außerdem: Ich würde nie etwas tun, was Ethan ärgert. Dafür habe ich ihn viel zu lieb.
Alles ist wieder im Lot.
Ethan ist der Starke, Kluge, Vernünftige.
Ich bin die kleine Mücke.
Ich fühle mich geborgen.
Wir fallen zurück in unsere alte Routine. Am Wochenende treffen wir uns irgendwo. Unter der Woche haben wir nicht viel Zeit, weil wir beide Unterricht vorbereiten müssen, oder korrigieren.
Das Sprachkollegium ist mit meiner Arbeit zufrieden und lässt mich immer häufiger ganze Klassen und Schulstunden selbständig unterrichten. Das macht mir Spaß. Ich liebe die Herausforderung und bin auch stolz auf mich, denn ich kriege gelegentlich die Rückmeldung, dass meine Schüler meinen Unterricht mögen.
Ethan lacht mich deswegen aus. Er meint, dass ich mir darauf nichts einzubilden brauche. „Sie sind nur so nett zu dir, weil sie wissen, dass du bloß eine Assistentin bist, und dass für sie nichts auf dem Spiel steht. Was meinst du, was los wäre, wenn du ihre reguläre Lehrerin wärst? Vermutlich würden sie Kleinholz aus dir machen.“
Diese Logik macht mir keinen Sinn. Wenn ich so an mich als Schülerin denke, erinnere ich mich daran, dass es genau umgekehrt war. Die Aushilfslehrer wurden getrietzt und geärgert, gerade weil bei ihnen nichts auf dem Spiel stand. Wenn ein Aushilfslehrer von den Schülern gemocht wurde und es fertig brachte, guten Unterricht zu halten, stand er in allgemeiner Achtung, sogar bei den erfahrenen Kollegen.
Aber ich habe mir abgewöhnt, mit Ethan über so etwas zu diskutieren. Es ist ja auch nicht so wichtig, dass man deswegen einen Streit vom Zaun brechen müsste.
Inez, Catherine und ich gehen weiter zu unserem Kurs in Brantwood, der uns für das Cambridge Certificate vorbereiten soll. Ende Februar ist es so weit, dann werden wir geprüft.
Nach dem letzten Unterricht vor der Prüfung sitzen wir ziemlich wehmütig in dem Pub zusammen, in dem wir uns nach jeder einzigen Unterrichtsstunde aufgehalten haben. Wir müssen immer noch darüber lachen, wie der Wirt mir beim ersten Mal unser Bier nicht kredenzen wollte, weil er meinte, dass ich zu jung sei.
„Weißt du noch, was für kluge Reden wir damals geschwungen haben?“, sagt Inez, nachdem sie einen tiefen Zug aus ihrem Krug genommen hat. „Du, Lea, hattest damals verkündet, dass du noch lange Single bleiben wolltest, und dass man seinen Traummann sowieso nie finden würde.“
„Ha“, sage ich, „das stimmt. Und jetzt habe ich ihn DOCH gefunden, viel eher, als ich es für möglich gehalten hätte.“
Catherine sieht mich nachdenklich an. „Ich kann mich auch an etwas erinnern, das du damals gesagt hast, Lea.“
Ich sage wegwerfend: „Mir scheint, ich habe an dem Abend eine Menge Unfug geredet.“
Doch Catherine fährt fort: „Es erschien mir damals ganz und gar nicht als Unfug, und erscheint mir auch immer noch nicht so. Du hattest gesagt, dass du nie mit einem Mann zusammen sein könntest, der dich nicht respektiert und der dich wie ein kleines Kind behandelt. Weißt du noch? Ich hatte doch von Christian berichtet, der genau so mit mir umgegangen ist.“
„Und hat der sich denn über die Monate verändert? Hat dein Plan funktioniert?“, fragt Inez amüsiert. Sie schiebt ihre langen Haare hinter die Ohren
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