Verliebt in einen Gentleman
Gaststättenboden etwas kühl geworden war.
Ich sage: „Du vergisst die zu engen Schuhe und die Ohrenschmerzen, wenn wir schon bei der Aufzählung der Katastrophen sind.“
Jens setzt sein Glas ab und sagt: „Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ich kenne mich mit Frauen aus.“
„Oh“, sage ich schmunzelnd, „das lässt ja tief blicken.“
Jens wird tatsächlich ein kleines bisschen rot. „Quatsch, so meinte ich das nicht. Ich meine, weil ich drei Schwestern habe, und die sind alle drei sehr unterschiedlich. Man könnte denken, dass sie gar nicht verwandt sind. Und doch weiß ich, dass alle drei in so einer Situation ausrasten und eine wahnsinnige Wut entwickeln würden. Sagen wir es mal so: Für den restlichen Abend wären sie total ungenießbar, und man könnte es ihnen noch nicht einmal übel nehmen.“
Er legt seinen Kopf auf eine Seite und sieht mich richtig nett an.
„Bei dir ist das anders. Du scheinst dich immer noch genauso so zu amüsieren, wie in dem Moment, als du in die Limousine gestiegen bist. Wie schaffst du das?“
Ich erwidere: „Das ist doch kein Kunststück. Ich sitze hier in einem super schönen Restaurant in angenehmer Gesellschaft. Mir geht es gut. Ich amüsiere mich wirklich und muss gar nicht so tun, als ob es so wäre.“
Doch Jens betrachtet mich so, als sei ich ein Weltwunder.
Er sagt: „Ich habe den Eindruck, dass du mich nicht verstehen willst. Ich sage es mal so: Du wirkst auf mich ungeheuer tiefenentspannt, so als ob dich nichts wirklich aus der Ruhe bringen könnte. Das finde ich faszinierend. Was ist dein Geheimnis?“
Hm, was soll ich darauf antworten? Ich versuche es damit: „Vielleicht liegt es daran, dass ich für mich keinen Sinn darin sehe, auf widrige Situationen mit Zeter und Mordio zu reagieren. Was hätte ich davon? Schlechte Laune und negative Gefühle.“
Jens sagt: „Ich bin beeindruckt. Anscheinend ist deine Gelassenheit tatsächlich durch und durch echt und nicht gespielt. Es stimmt, du hast recht. Wenn du zu der Limo gekommen wärst und hättest an die Scheibe geklopft, und ich hätte gesehen: Die Frau ist geladen. Sie macht ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter, dann hätte ich dir nicht aufgemacht.“
Ich muss jetzt lachen. „Ha! Hättest du es etwa fertig gebracht, mich einfach wieder davon zu schicken?“
Jens sagt ungerührt: „Aber, Hallo! Du vergisst, dass ich mitten in meiner Arbeit am Laptop war. Da brauche ich keine Zicke, die ihre schlechte Laune über mir auskippt. Da brauche ich meine Ruhe.“
„Aber du wusstest doch gar nicht, ob ich nicht gleich loslegen würde“, gebe ich zu bedenken.
„Doch, weil ich dich schon vorher beobachtet hatte. Und außerdem sahst du nicht wütend aus, nur irgendwie hilflos.“
Ich grinse. „Super. Meine Taktik hat funktioniert.“
Aber Jens wirkt nicht überzeugt.
Fast ein wenig sehnsüchtig sagt er: „Ich wüsste schon gerne, was dein Rezept ist.“
„Geheimrezept“, sage ich nur.
Ich habe keine Lust, ihm die Wahrheit zu unterbreiten. Dafür kenne ich ihn nicht gut genug. Das würde bedeuten, dass ich einem Menschen, den ich erst seit wenigen Stunden kenne, einen Blick in mein innerstes Seelenleben gewähren würde, das viel zu privat ist, um es eben mal auszubreiten.
Aus reinem Selbsterhaltungstrieb ändere ich das Thema.
„Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, dass du lieber Psychologie studieren solltest. Offensichtlich hast du ein Faible dafür.“
Dieser Einwurf tut seine Wirkung. Jens beginnt von seinem Wirtschaftsinformatik-Studium zu erzählen. Die Unterhaltung nimmt eine Wendung, die mir ganz recht ist. Wir plaudern über die Uni, über unsere Professoren und entdecken, dass wir auch ein oder zwei gemeinsame Bekannte haben.
Es wird immer später und die anderen Gäste gehen allmählich nach Hause.
Irgendwann schaut Jens auf seine Armbanduhr und zuckt zusammen.
„Oh, jetzt ist es aber ordentlich spät geworden.“ Er winkt nach dem Kellner und zahlt die Rechnung.
Ich sage: „Wenn du mir die Quittung gibst und deine Bankverbindung, dann kann ich dir meinen Anteil gleich morgen überweisen.“
Aber Jens nimmt den Bon und zerreißt ihn flink. „Nein“, sagt er, „das lassen wir mal. Du bist mein Gast gewesen. Es war ein richtig schöner Abend, und ich danke dir, dass er durch dich so schön geworden ist.“
Ich sage etwas verlegen: „Das ist mir jetzt aber nicht recht. Das war nicht unsere Abmachung.“
Aber Jens sagt nur: „Ist schon
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