Verliebt in einen Gentleman
okay.“ Er winkelt seinen Arm an und fragt galant: „Darf ich das Aschenputtel jetzt wieder zu seiner Kutsche geleiten?“
„Gerne“, sage ich, „jetzt wollen wir mal nur hoffen, dass die sich nicht inzwischen in einen Kürbis verwandelt hat.“
Als wir aus der Gaststube wieder hinaus in die kühle Herbstnacht treten, denke ich mir, wie eigenartig doch das Leben ist. Wenn mir jemand gestern gesagt hätte, dass ich mit dem Chauffeur einer schneeweißen Stretch-Limo barfuß beim Italiener essen würde, hätte ich es nie und nimmer geglaubt. Wie schön, dass es solche lustigen Wendungen und Überraschungen gibt. Ich lache in mich herein.
Jens dreht sich mir zu. „Siehst du?“, sagt er, „Du tust es schon wieder. Du lachst und du steckst so offensichtlich voll Lebensfreude, dass man richtig neidisch werden könnte.“
Wir sind am Auto angekommen und ich sehe ihn groß an.
„Aber das kann und darf doch jeder. Wer will mir das verbieten?“
Jens öffnet mir die Beifahrertür. „Es ist nicht, dass irgendjemand einem das verbieten würde, aber man hat es einfach nicht drauf. Ich weiß nicht – verlernen das die meisten Leute in ihrem Leben?“
Ich überlege. Ja, er könnte mit dieser Bemerkung recht haben. Vielleicht ist es so.
Irgendwie finde ich es rührend, wie er sich darüber Gedanken macht. Ich überlege, dass es nicht viele junge Männer in meiner Bekanntschaft gibt, die sich über solche Dinge den Kopf zerbrechen.
Auf meinen flachen Füßen habe ich gerade die richtige Kopfhöhe. Ich neige mich zu ihm hin und setzte ihm einen sanften Kuss auf das Kinn, das ein bisschen stachlig ist, denn ist ist ja wohl eine Weile her, dass es frisch rasiert war.
„Danke“, sage ich, „danke, dass du mir das Leben gerettet hast und danke für das schöne Essen.“
Dann setzte ich mich auf den Beifahrersitz und schnalle mich an.
Jens sagt nichts, aber lächelt nur und eilt um das Auto herum, um sich auf den Fahrersitz zu setzen.
Vorher streift er den grauen Pulli ab. Er riecht nach warmen Mann und einem angenehmen Herrenduft. Dann schlüpft er in seine Anzugjacke. Er setzt die Schirmmütze auf seinen Kopf.
„Home, Jones, and a shilling extra if you make it in ten minutes“, scherze ich.
„Sehr witzig“, sagt Jens, aber es klingt gar nicht böse.
Auf der Fahrt zurück zum Kasino schweigen wir beide. Vielleicht, weil wir die Ruhe vor dem Sturm genießen wollen, bevor der schnatternde Hühnerhof mit seinem stolzen Hahn die Limousine wieder in Beschlag nimmt.
Kurz
bevor wir das Kasino erreichen, fährt Jens rechts ran. Er sagt bei laufendem Motor: „Ich würde dich gern wiedersehen, Lea.“
Ich sehe ihn an, dann sage ich: „Dann müsste es noch in der nächsten Woche sein, denn später geht es nicht mehr.“
Er runzelt seine Stirn. „Wieso? Bist du tatsächlich Aschenputtel? Musst du wieder zum Erbsenlesen zur bösen Stiefmutter?“
Ich lächele. „Nein, so schlimm ist es nicht, aber ich verreise nächstes Wochenende.“
Sein Gesicht hellt sich auf. „Ja, dann ist das kein Problem. Dann treffen wir uns einfach danach.“
Ich schüttle meinen Kopf. „Da müsstest du sehr geduldig sein.“
„Warum“, fragt er.
„Ich verreise nächstes Wochenende nach England. Ich komme erst in einem Jahr wieder.“
Zwar führt sich Jens jetzt nicht wie seine Schwestern auf. Er schreit nicht Zeter und Mordio und er wird nicht rot vor Zorn, aber er macht ein trauriges und enttäuschtes Gesicht.
„So ein Mist!“, sagt er. „Da lernt man endlich mal eine richtig tolle Frau kennen, und dann das! Ich bin ein richtiger Pechvogel.“
Resigniert legt er wieder den Gang ein und fährt das letzte Stück zum Kasino schweigend zurück.
Er hat noch nicht den Motor am Parkplatz abgestellt, da geht schon sein Handy. Tom ruft an, dass wir jetzt vorfahren sollen.
Jens sagt noch: „Gibst du mir wenigstens deine Handynummer?“
Ich sage: „Das macht keinen Sinn. Ich werde in England eine andere Nummer haben.“ Ich werde ernst. „Nein, Jens, ich glaube wir sollten es dabei belassen. Ich halte nichts von Fernbeziehungen. Die sind von Anfang an zum Untergang verurteilt. Ich denke, wir sollten jeder wieder unseren eigenen Weg gehen. Es war ein wunderschöner Abend, und ich werde noch oft daran zurückdenken, und du hoffentlich auch. Danke für alles.“
Selbst wenn Jens noch etwas geantwortet hätte, ich hätte es sowieso nicht mitbekommen, denn jetzt reißen die Mädels die Türen auf und purzeln in das Auto
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