Verliebt in einen Gentleman
gibt auch ein paar schöne Bilder von niedlichen Häusern und von einem Herrenhaus aus rotem Backstein. Es ist wohl schon sehr alt, denn man sagt, dass Königin Elizabeth I dort auf der Durchreise einmal übernachtet habe.
Und das ist alles. Mehr nicht.
In diesem Gatingstone scheint der Bär eindeutig nicht zu steppen.
Ach ja, die Schülerschaft soll ganz spannend zusammengesetzt sein, denn in der Nähe gibt es eine große Autofabrik. Die internationalen Mitarbeiter dieser Fabrik senden ihre Kinder zu der Schule – darunter soll es auch Deutsche, Franzosen und Spanier geben.
Ich werfe meine High Heels auch in einen der Kleidersäcke. Vielleicht sollte ich sie ganz wegwerfen. Die blöden Dinger waren immerhin so ungemütlich, dass sie mir fast einen schönen Abend verdorben hätten.
Stattdessen suche ich ein, zwei Paar vernünftige, flache Schuhe heraus. Ich packe auch meine Jeans ein, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob man als Lehrer in England überhaupt Jeans tragen darf. Aber etwas Freizeit wird mir ja wohl auch bleiben.
Ich muss aufpassen, dass meine Koffer nicht zu schwer werden, damit ich sie alleine tragen kann. Vielleicht kaufe ich mir in England die fehlenden Kleider noch dazu, zum Beispiel Winterstiefel.
Obwohl, viel Geld bekomme ich als Assistant Teacher nicht bezahlt. Da werde ich mir nicht viel Luxus leisten können.
Es gibt so viel zu bedenken! Und wo werde ich überhaupt landen? Der Schulleiter hat eine Bleibe für mich gesucht. Er meinte in einer Mail an mich, dass ich bei einem älteren Ehepaar untergebracht sein werde. Allerdings seien meine Vermieter noch verreist, wenn ich ankäme. Deswegen würde ich zunächst bei den Eltern einer Schülerin wohnen, die so freundlich waren, mich für zwei Wochen aufzunehmen.
Was, wenn alles einfach nur furchtbar blöde wird? Was, wenn ich mit meiner Unterbringung unzufrieden sein werde?
Ach, es wird sicher alles okay. Mein unbezwingbarer Optimismus verjagt alle Bedenken. Ich freue mich schon auf England.
Wenige Tage später befinde ich mich auf der Fähre von Calais nach Dover. Ich habe mich bewusst gegen die Bahnreise durch den Eurotunnel entschieden. Zwar haben mir Freunde versichert, dass das die schnellste und preiswerteste Art wäre, nach England zu reisen, aber ich muss zugeben, dass ich einfach nur Schiss davor habe, tief im Schoß der Erde unter dem Ärmelkanal durch zu sausen. Wie gruselig ist das denn? Dafür braucht man gute Nerven.
Ich hätte natürlich auch einen Flug buchen können, aber dann hätte
ich
nicht genug Gepäck mitnehmen können. Außerdem mag ich es, so eine monumentale Reise – immerhin bin ich ein ganzes Jahr in der Fremde – auf ganz traditionelle Weise zu machen.
Meine Koffer habe ich in die Gepäckfächer verstaut und ich bin fast die ganze Zeit auf Deck, denn ich bin viel zu aufgeregt, um still zu sitzen.
Zum Glück haben wir eine ruhige See und die Sonne scheint. Ich lehne an der Reling und sehe hinüber zum englischen Festland. Um mich herum sind plaudernde Mitreisende, oder Eltern mit kleinen Kindern, die umherrennen und spielen. Der Wind zerrt an meinen Kleidern und meinen Haaren. Ab und zu muss ich den Kopf in den Wind drehen, damit sie wieder von meinem Gesicht weg geweht werden. In der Ferne kann man sehen, wie die weißen Klippen von Dover sich erheben. Es ist das erste Mal, dass ich mit der Fähre nach England reise, und ich staune, wie beeindruckend die Felsen aussehen. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so hoch sind. Oben an der Kante kann man sehen, wie winzige Punkte auf und ab gehen. Es sind Menschen, die dort oben stehen und auf uns herab sehen. Ob dort wohl ein Geländer angebracht ist? Hoffentlich.
Als die Fähre im Hafen ankommt, beeile ich mich, meine Koffer zu holen und mich in die Schlange der Fußpassagiere zu stellen, die darauf warten, von Bord gehen zu dürfen.
Im Hafen ist es mit der Beschaulichkeit, die ich gerade noch am Deck der Fähre genossen habe, vorbei. Überall wuseln Menschen. Überall stehen Beamte herum und wollen etwas von einem. Ich will nur weg, schnell meinen Zug nach London finden und weiter. Es dauert eine Stunde, bis ich endlich weiterreisen kann. Es ist jetzt Abend und Berufsschluss. Die Bahn ist zum Bersten voll. Um mich herum wirbeln Gesprächsfetzen in englischer Sprache. Mein Hirn versucht, davon etwas zu verstehen, aber die Leute reden so schnell, dass es einfach nicht hinterherkommt.
Ich schiebe mit meinem schweren Gepäck durch den Zug und suche einen
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