Verliebt in einen Gentleman
Dazwischen stehen schon sie ersten Narzissen und Tulpen in den Beeten.
Ein schmales Bett ist mit schneeweißer Bettwäsche bezogen, an deren Kanten feine Spitze entlang läuft. Sehr hübsch.
Sie zeigt mir noch das Bad und verschwindet wieder in die untere
Etage. Ich setze mich auf die Bettkante und sehe mich um. Pff! Das war doch schon ganz gut gelaufen. Ich habe kein einziges Mal den Mund aufmachen müssen. Diese Frau wirkt auf mich so lieb und sanft, dass ich mit Sicherheit nichts vor ihr zu befürchten habe. Ich löse meine Haare, kämme sie durch und flechte sie zu einem akkuraten Zopf im Nacken zusammen. Dann trage ich einen Hauch frischen Lippenstift auf, streiche meine Augenbrauen mit einem nassen Finger glatt und gehe wieder nach unten.
Ethan sitzt schon am Teetisch, während seine Mutter herum huscht und uns aus einer silbernen Kanne eingießt. Auf dem Tisch steht Gebäck und die unweigerlichen Gurkensandwiches bereit. Ich setzte mich sehr gerade hin und warte, bis man mich anspricht.
„Du studierst Englisch“, sagt Mrs. Derby. „Ethan sagt, dass du auch Lehrerin werden möchtest.“
„Ja, sehr gerne“, sage ich, „mir macht das Unterrichten in Gatingstone viel Freude.“
Ethan nimmt einen Schluck aus seiner Teetasse und setzt sie aber ab, um zu sagen: „Na ja, ich versuche Lea klar zu machen, dass das, was sie macht, kein richtiges Unterrichten ist. Sie befindet sich als 'Assistant Teacher' natürlich in einem Ausnahmezustand. Da fressen die Schüler ihr aus der Hand. Hinzu kommt die Tatsache, dass sie als Ausländerin auch den Reiz der Exotik mit sich bringt.“
Er macht es schon wieder. Er döppt mich vor seiner Mutter runter, und zwar gnadenlos.
Ich räuspere mich und sage: „Es wäre schön, wenn es so wäre, aber davon merke ich leider nichts. Ich unterrichte schon ganze Klassen selbstverantwortlich. Es ist nicht immer leicht, denn auch die englischen Schulkinder sind keine Engel. Gelegentlich muss ich schon recht streng werden.“
Ethan schlägt sich auf die Schenkel und lacht. Nicht immer ist er so offen und so heiter in meiner Gegenwart. „Was erzählst du nur für einen Unfug, Lea. Du – und streng? Dass ich nicht lache. Ich wette, sie tanzen dir ganz schön auf der Nase herum.“
Normalerweise hätte ich mein Haupt demütig gesenkt und hätte schnell das Thema geändert. Doch jetzt beschließe ich, meine neue Taktik in die Tat umzusetzen.
Ich fixiere Ethan kühl und sage: „So? Woher willst du das denn wissen? Hast du von irgendjemandem etwa gehört, dass es so sei?“
Ethan blickt mich scharf an. So kennt er mich nicht. „Nein“, sagt er bestimmt, „aber ich kenne dich doch, Lea. So klein und hilflos wie du immer bist, kannst du dich doch nie und nimmer vor einer Schulklasse behaupten.“ Er sieht mich lauernd an. Anscheinend hat er regelrecht Sorge, ich könnte ihm wieder Paroli bieten, und das vor seiner Mutter.
Da lache ich und schüttle meinen Kopf. „Ethan, du bist immer so lieb besorgt um mich, aber ich kann dich beruhigen; Bloß weil ich klein bin und jung aussehe, bin ich nicht wirklich hilflos. Ich kann schon ganz schön selbstbewusst agieren, wenn es sein muss.“
Ethans Mutter dreht ihren Kopf hin und her, wie eine Zuschauerin bei einem Tennisspiel. Dabei bilden sich Furchen in ihrer Stirn.
Ich merke, dass ich die Dosis an Ehrlichkeit ein bisschen reduzieren muss, sonst könnte es doch recht ungemütlich werden.
Also sage ich: „Aber, was rede ich? Natürlich kann ich mich nicht wirklich mit einem erfahrenen Lehrer messen, wie du einer bist, Ethan.“
„So gefällst du mir besser, Mückchen“, sagt Ethan und nippt wieder beruhigt an seiner Teetasse.
Mrs. Derby sagt leise: „Ich habe große Achtung vor jedem, der sich gegenüber einer Schulklasse behaupten kann. Du musst wissen, Lea, ich war hier in Sternham die Dorfschullehrerin, bis Mr. Derby, mein verstorbener Mann, mich geheiratet hat. Ich war so froh! Damals hat man natürlich als verheiratete Frau seinen Beruf aufgegeben, schon gar als Pfarrfrau. Ich habe es in der Schule gehasst. Mein Mann hat mich regelrecht erlöst.“
Ethan legt eine seiner großen Hände auf ihre Hand. „Kleines Muttichen, dass sie aus dir Hackfleisch gemacht haben, glaube ich nur zu gerne.“
Ich muss ihm beipflichten. Schon die Vorstellung, dass diese kleine, zarte Frau mit ihrem sanften Stimmchen vor dreißig kleinen Teufeln stehen musste, lässt mich fast vor Mitleid zerfließen.
„Leider ist mein Mann viel zu
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