Verliebt in einen Gentleman
so viel, SO viel zu tun, bis ich das Gefühl haben kann, dass unsere Beziehung wirklich perfekt ist. Ich hänge mit Ethan auf etwa Level 5 fest. Wenn das mein Spiel wäre, wäre ich richtig frustriert.
Doch der Preis lohnt sich. Ich werde mein zukünftiges Leben mit meinem Traummann verbringen, was will man mehr?
Das Wochenende geht schnell vorbei. Klar, es hätte noch netter, entspannter sein können. Als wir am Sonntagabend wieder nach Gatingstone fahren, weiß ich, dass ich daran Schuld war, dass es nicht so harmonisch verlief. Das liegt an meinem neuen Plan, zwar mit Ethan zusammen zu bleiben, aber es unter meinen Bedingungen zu tun.
Die Art, wie Ethan mit seiner Mutter umgegangen ist, hat mir ein Bildnis dessen abgeliefert, wo ich in wenigen Jahren landen werde, wenn wir tatsächlich heiraten sollten und ich so bleibe, wie ich bis jetzt bin – unterwürfig, nachgiebig und bereit zur totalen Selbstaufgabe.
Ich komme mir neuerdings ein wenig so vor, wie Edwin, der im Garten seines Elternhauses mit dem Spaten die Überreste einer vergangenen Epoche freilegt. Irgendwo in dem Erdhaufen meiner Persönlichkeit sind noch die Überreste der alten, selbstbewussten Lea. Sie sind zu kostbar, um in Vergessenheit zu geraten, Es gilt, sie auszugraben, sie von Erdspuren zu befreien und in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.
Es ist wahnsinnig anstrengend. Es bereitet mir Kopfschmerzen. Es ist eine gefährliche Gratwanderung, denn wenn ich zu offensichtlich vorgehe, riskiere ich, Ethan zu verlieren.
Schon an dem Wochenende hat er mich manchmal nachdenklich betrachtet, so als ob er sich wundern würde, was mit mir los sei.
Als ich wieder bei Alice bin, bin ich richtig erschöpft.
Alice ist natürlich, wie alle Frauen, von Ethan restlos begeistert.
„Er ist so wahnsinnig gut-aussehend, so männlich!“, schwärmt sie. „Lea, verrate mir das Geheimnis – was muss man tun, um so einen Mann für sich zu erobern? Ich wäre bereit, dafür einen Mord zu begehen. Du musst durch und durch glücklich sein.“
„Bin ich auch“, erwidere ich matt, drehe mich aber schnell weg, damit sie nicht mein Gesicht sehen kann.
Ich spiele wieder mein Computerspiel bis zur Besinnungslosigkeit. Level für Level krieche ich weiter. Wenn meine Eltern gewusst hätten, dass das Geschenk eine beängstigende Spielsucht in mir wecken würde, hätten sie es mir dann geschenkt?
Manchmal surfe ich zu Facebook und gucke, was in der Heimat so los ist. Die kleinen Berichte und Problemchen meiner Kommilitonen kommen mir so unwichtig, so banal vor. Meistens klicke ich schnell wieder weg und spiele weiter mein Spiel.
Jens lässt nicht locker. Manchmal finde ich seine Ausdauer regelrecht rührend. Immer wieder meldet er sich zu Wort und möchte wissen, wie es mir geht, ob ich irgendetwas Spannendes erlebt hätte, ob ich glücklich bin.
Ich versuche, ihn zu ignorieren. Ganz gelegentlich schreibe ich eine kurze Bemerkung zurück, mehr nicht.
Das Wetter wird wärmer, und die Tage werden länger. Alice hat mir gestanden, dass sie sich riesig freuen würde, wenn ich ein wenig Ordnung im Garten machen könnte.
Der ist so klein und überschaubar, dass ich sofort einwillige. Und so mähe ich den Rasen, steche die Rasenkanten akkurat ab, dass es – wie Alice es ausdrückt – wie in „Priory Park“, in einem Klostergarten aussieht, und jäte in den Beeten, bis kein Hälmchen Unkraut mehr vorhanden ist. An dem einen Nachmittag nehme ich mir das hintere Beet im Garten vor, direkt an der roten Backsteinwand, die die Rückseite eines Dorfhauses ist und den Garten begrenzt. Ich entferne alles, was ich an trockenem Gestrüpp nur finden kann, sammle es in einen Kübel und werfe es in den Abfall.
Am selben Abend sitzen Alice und ich im Haus und betrachten mit Wohlgefallen das Ergebnis meiner Hände. Es sieht wirklich alles sehr gepflegt und ordentlich aus.
Da kneift Alice auf einmal die Augen zusammen und fixiert die rote Wand, an der ein Spalier mit einer üppigen Ranke bewachsen ist.
Das heißt, die Ranke war ursprünglich üppig, jetzt hängt sie eigenartig schlapp herunter.
„Was ist denn bloß, um Himmels Willen, mit meiner Clematis los?“, sagt Alice. „Sie war doch in diesem Frühjahr so besonders prächtig gewachsen.“
Da wird mir heiß und kalt. Ich erinnere mich an das Gestrüpp, das ich am Nachmittag entfernt hatte. Es waren so seltsame braune Triebe dabei.
„Vielleicht
ist ihr meine Jätarbeit nicht bekommen“, sage ich kleinlaut.
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