Verliebt in einen Gentleman
hat es schon fast getan. Also, überlege dir und teile mir mit, ob du damit leben kannst.“
Das ist der ganze Brief. Als er fertig ist, lese ich ihn mindestens zwanzig mal durch. Ich entscheide mich gegen ein „es küsst Dich, Deine Lea“, oder irgend so eine süßliche Abschiedsfloskel. Ethan sieht sowieso an der Mailadresse, dass der Brief von mir ist.
Ich suche Ethans Adresse heraus und zögere nur noch einen Moment, bevor ich den Brief abschicke.
Plötzlich springt mich Inez von der Seite an.
„Was MACHST du dort schon wieder mit deinem Handy?“, sagt sie. Sie wendet sich an die Anderen. „Ich werde verrückt, ich glaube, Lea spielt wieder ihr blödes Spiel. Gib das Handy her“, sagt sie und versucht es, aus meiner Hand zu schnappen.
„Nein, ich spiele gar nicht“, sage ich heftig. „Lass die Finger von meinem Handy! Hey, gib das her!“
Wir rangeln einen Moment um das Handy, dann habe ich es wieder.
„Inez, du dumme Kuh“, sage ich heftig. „Wenn du mein Handy kaputtgemacht hättest, dann hättest du den schönsten Ärger mit mir bekommen! Ich habe nur einen Brief geschrieben, das ist alles.“
Sofort sehen die anderen alle von ihrer jeweiligen Beschäftigung auf.
„Einen PRIVATEN Brief“, sage ich betont, schalte mein Handy aus und stecke es in meine Hosentasche. „So, ich geh jetzt packen und dann schlafen. Ich denke, wir fahren morgen ziemlich früh los.“
Ich liege die ganze Nacht wach.
Während ich mich hin und her wälze, quälen mich tausende Gedanken.
Hat Ethan den Brief schon gelesen, oder liest er ihn jetzt gerade, in diesem Moment? Wenn ja, wie wird er reagieren? Was wird er von mir denken? Wird er verstehen, was ich meine? Hätte ich doch alles anders formulieren sollen? Vielleicht hätte ich noch deutlicher klarmachen sollen, wie sehr ich mich für ihn verstellt und geändert habe. Vielleicht sollte ich jetzt gleich zum Handy greifen und NOCH eine Mail schreiben, in der ich ihm erkläre, dass...
Es ist zum Verrücktwerden. Ich bin so angespannt, dass ich rasende Kopfschmerzen bekomme.
Ich erhalte keine Antwort. Die ganze lange Fahrt zurück nach Gatingstone starre ich fast nonstop auf mein Handy. Ich stecke es ein, hol es wieder heraus. Ich schalte es aus, wieder ein. An einer Raststätte, wo wir aus dem üblichen Grund Halt machen, erwäge ich, mich für einen Moment zu entschuldigen, mich etwas abseits zu stellen und Ethan anzurufen, aber das tue ich nicht. Er hat jetzt meine Nachricht. Er muss daraus machen, was ER will. Ich habe sozusagen ein Papierboot gefaltet, so wie wir es als Kinder gemacht haben, es auf einen Bach gesetzt und muss zusehen, ob es sinkt oder schwimmt.
Erst als wir London umfahren haben, kommt eine knappe Nachricht:
„Wann bist du bei Alice?“
Mit pochendem Herzen schreibe ich: „Etwa um drei.“
„Okay.“
Mehr nicht.
Wir verabschieden uns zuerst von
Inez in Brantwood, dann fahren wir weiter.
Als wir in die Weaver's Mews einbiegen, sehe ich schon Ethans Wagen vorm Rose Cottage stehen.
Mein Herz sinkt. Wie wird es jetzt mit uns weitergehen? Ich bin erschöpft von der langen Reise. Ach, am liebsten würde ich einfach kehrt machen, und wieder zurück nach Polperro fahren.
„Na, da kann jemand es nicht abwarten, dich wieder zu sehen“, sagt Denise und nickt in die Richtung des Autos. Gerade öffnet sich die Fahrertür und Ethan steigt aus. Er lehnt sich lässig gegen den Wagen und wartet, bis wir anhalten.
Dann schreitet er herbei, um meine Tasche aus dem Kofferraum zu heben. Er ist halt doch ein Gentleman, schießt es mir durch den Kopf.
Und sieht auch noch wahnsinnig gut aus, wie immer. Ich winke den Mädels noch, dann wende ich mich ihm zu und warte mit angehaltenem Atem.
„Komm, Lea“, sagt er, „wir gehen ein paar Schritte spazieren.“
Ich nicke stumm und stelle schnell die Tasche in den Hausflur, bevor ich neben ihm entlang schreite.
Wir wandern einen Feldweg hinunter, der aus dem Dorf heraus führt. Sehr bald befinden wir uns unter einem hohen, blauen Himmel. Lerchen zwitschern weit über uns. Am Wegrand blühen Gänseblümchen, Löwenzahn und Veilchen.
Wir haben uns noch nicht umarmt, noch nicht geküsst. Eine fast unerträgliche Spannung hängt zwischen uns.
Plötzlich bleibt Ethan stehen und sagt: „Was wolltest du mir eigentlich mit deiner Nachricht sagen, Lea? Dass ich dich unterdrücke und dir jede Lebensfreude raube?“
Ich sehe ihn groß an. „Nein, das nicht, Ethan. Oder ja, doch.“ Ich
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