Verliebt in einen Gentleman
straffe meinen Rücken und sage fest: „Es ist so, Ethan. Seitdem wir zusammen sind, machst du mir einen Vorwurf daraus, dass ich so bin, wie ich bin.“
Ethan runzelt seine Stirn. „Erkläre mir bitte nochmal, wie du meinst, dass du bist.“
„Ethan, ich bin ein heiterer, lebenshungriger und froher Mensch. Ich liebe es, auch einmal albern und ausgelassen zu sein. Es gibt so viel im Leben, das mir Freude macht und mich lachen lässt. Ich weiß, dass du das kindlich und naiv findest, aber ich hoffe, dass ich als alte Oma mit 100 Jahren immer noch so bin, weil ich gerne so bin und mich dabei wohlfühle.“
Er sieht mich streng an, als würde er mir die Abitur-Prüfung abnehmen, oder – wie sie in England heißt – die „A-Levels“.
Ich rede weiter. Jetzt, da er mir endlich zuhört, sprudelt es nur so aus mir heraus.
„Ich liebe es, nicht immer hundertprozentig perfekt zu sein. Ich – ja – ich mag es sogar auch mal einen Fehler zu machen, einfach so, weil ich spontan bin, und dann nachher darüber zu lachen.“
Ethan schaut mich durchbohrend an. Dann sagt er: „Zum Beispiel, wenn man sich leichtfertig bei einer Fahranfängerin ins Auto setzt und tot fahren lässt? Meinst du solche Fehler?“
Ich erstarre.
Wie KANN er so etwas sagen? Wie kann er die vertraulichste Information, die ich ihm über mich mitgeteilt habe, so gegen mich verwenden?
Mit einem Mal wird mir schonungslos klar: Ethan hat mich nie gekannt, geliebt, oder auch nur versucht, mich zu verstehen. Er wird es auch nie können, weil er so ist, wie er ist.
Ich sehe ihn fassungslos an, meinen schönen, herrlichen Ethan, und ich weiß, dass es aus ist. Endgültig.
Ethan scheint nichts zu merken. Das passt irgendwie ins Bild. Er schüttelt seinen Kopf, als wollte er lästige Fliegen vertreiben.
Dann sagt er: „So, dann hätten wir das geklärt, Mücke. Ich habe dir jedenfalls schon alles verziehen.“
Verziehen? MIR verziehen?
Entsetzt sehe ich, wie er etwas aus seiner Tasche nimmt und vor mir auf ein Knie fällt.
„Ich mach das hier mal ganz klassisch“, sagt er. Dann nimmt er meine Hand und sagt: „Lea König. Ich liebe dich und möchte dich fragen: Willst du meine Frau werden?“ Dann reicht er mir einen Ring, an dem ein kleiner Diamant funkelt.
Mir verschlägt es die Sprache, aber definitiv aus einem anderem Grund, als bei den meisten Frauen, die im Begriff sind, einen Heiratsantrag zu bekommen.
Ich ringe um Fassung, weil ich nicht glauben kann, dass Ethan so wenig Feingefühl haben kann, in just DIESEM Moment diese Frage zu stellen.
Mir ist zum Heulen zumute.
Noch vor etwa einem Monat wäre ich Ethan um den Hals gefallen und hätte „Ja“ gejubelt.
Jetzt stehe ich nur da und schweige.
Ethan wartet mit selbstsicherem Ausdruck. Lea wird sein Angebot nicht ablehnen.
Als ich nicht reagiere, verdunkelt sich sein Gesicht.
Ich schüttle stumm aber heftig meinen Kopf. Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen steigen.
Da drehe ich mich schnell um und renne weg. Ich renne den Feldweg herunter, meine Füße hämmern auf den trockenen, staubigen Boden, meine Lunge brennt, und mein Herz blutet, und die Tränen laufen mir über das Gesicht, als wollten sie nie mehr aufhören.
Ich eile in Alices Haus hinein, werfe die Tür hinter mir zu und lehne mich keuchend dran, bis mein Puls sich beruhigt hat.
Ich gehe zur Küche und schaue verstohlen durch die Gardine.
Nach einer ganzen Weile sehe ich, wie Ethan gemessenen Schrittes und mit finsterem Gesicht zu seinem Auto zurückkehrt, einsteigt und wegfährt.
Ich brauche dringend eine „nice cup of tea“ und setze den Kessel auf den Herd.
Später sitze ich im Esszimmer, starre in den frühlingshaften Garten hinaus und lasse meinen Tee kalt werden, ohne ihn zu trinken.
Der Anblick der welken Clematis, die sich immer noch nicht von meiner Aktion erholt hat, macht mich noch depressiver. Vorwurfsvoll hängen die schlappen Ranken am Spalier, während alles im Garten rundherum blüht und gedeiht.
„Du bist Schuld“, flüstern sie mir zu. „Musstest du denn ganz so rabiat sein? Etwas behutsamer wäre besser gewesen.“
Aber hätte ich wirklich noch etwas zwischen Ethan und mir retten können, wenn ich tatsächlich behutsamer vorgegangen wäre?
Nein.
Dafür ist Ethan zu dickköpfig, selbstzentriert und stur.
Das ist mir jetzt klar geworden.
Mein Smartphone liegt vor mir. Ich könnte mich ja ein bisschen trösten und ablenken, indem ich mein nettes, kleines Spiel wieder
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