Verliebt in einen Gentleman
mich von den Seafields, und Melissa bringt mich mit meinen Koffern zum Walnut Cottage.
Wir nehmen keinen tränenreichen Abschied, denn ich bleibe ja in der Nähe. Melissa hat mir zugesichert, dass ich jederzeit bei ihnen vorbeischauen und gerne zum Sonntag zum Essen kommen darf.
Das tröstet mich, denn ich habe die Familie in mein Herz geschlossen, und sie mich wohl auch, sonst würde Melissa mich nicht so betont einladen.
Ich klingle an der Haustür des Häuschens. Sie wird von innen geöffnet und ein altes Ehepaar steht vor mir.
Er begrüßt mich herzlich und bittet mich ins Wohnzimmer.
Die Frau ist groß und stämmig. Sie hat dunkle Haare, (gefärbt, denke ich), eine tiefe Stimme, eine große Brille, die ihr das Aussehen einer Eule verleiht, sowie ein riesengroßes weißes Gebiss, (sicher falsch!, denke ich), mit dem sie mich freundlich anfletscht.
Der Mann ist mindestens einen Kopf kleiner als seine Frau, hat einen Buckel, schüttere Haare und einen Schnäuzer, der sicher einmal sehr schneidig war. Der Mund darunter ist klein und faltig, (kein Gebiss, denke ich, oder jedenfalls nicht im Einsatz).
Die Lanes stellen sich als Abby und Glen vor.
Glen beeilt sich, meine Koffer in mein Zimmer, „upstairs“ zu schleppen, während Abby mich in das
Sofa drückt und in plüschigen Fellpuschen davonhuscht, um mir erst einmal „a nice cup of tea“ zu machen.
Zu der „cup of tea“ muss ich etwas erklären:
Sehr bald nach meiner Ankunft in Gatingstone habe ich gemerkt, dass eine Tasse Tee für die Engländer etwas Heiliges ist. Kommt man in ein fremdes Haus, zum Beispiel zu Catherines Polizisten, bekommt man sofort – aber sofort – die „cup of tea“ angeboten. Die abzulehnen, ist so ziemlich der größte Fauxpas, den man sich erlauben kann. Es ist so, als ob man in Deutschland die Hand gereicht bekäme und es ablehnen würde, sie zu schütteln.
Obwohl ich keine große Teefreundin bin, gieße ich hier in England seit meiner Ankunft so viel Tee in mich hinein, dass ich mich von meiner Gewohnheit, den Tee mit Zucker zu süßen, verabschieden musste, denn ich würde unweigerlich davon enorm zunehmen.
Damit hat Abby offensichtlich keine Probleme, denn sie wirft drei Würfel in ihre Tasse und rührt sie unter, während sie mich mit freundlicher Neugier betrachtet.
Ich muss ihr alles erzählen; von meiner Familie, meinem Studium, meiner Reise, von der Schule, von meinen Freunden und Freundinnen, halt von Allem.
Glen kommt die Treppe herunter, setzt sich seufzend in einen tiefen Sessel, streckt die Beine auf einem Hocker aus und greift auch nach seiner Teetasse.
Während wir uns unterhalten, gleiten meine Augen durch das Zimmer. Oh weh! Die Tapete passt so gar nicht zum Teppich. Sonnenblumen an der Wand und Paisleymuster auf dem Boden? Aua.
Das Zimmer wird dominiert durch eine Gasfeuerstelle, in der die blauen Flammen munter tanzen. Es ist, nebenbei gesagt, höllisch warm in diesem Raum.
Glen und Abby erzählen jetzt ausgiebig von ihren Ferien in einem Holiday Village in Bournemouth. Sie haben sich dort prächtig erholt. Sie haben sich mit einem befreundeten Ehepaar ein Häuschen geteilt, Ada und Oz. Oz habe einen schrecklichen Husten gehabt. Sie seien froh, von Oz' Husten erlöst zu sein, der habe schon sehr genervt. Abby macht den Husten vor, um zu demonstrieren, wie der geklungen hat. Wirklich nicht schön, denke ich. Witzigerweise habe Oz nicht gehustet, wenn seine Frau das Zimmer verlassen hatte. Er habe immer nur in ihrer Gegenwart gehustet. Sei das nicht seltsam? Was das wohl für Gründe haben könne?
Apropos Husten:
Jetzt steckt sich Glen eine Zigarette an und beginnt genussvoll zu rauchen.
Halt, will ich schreien, ich bin absolute Nichtraucherin und kann Tabakqualm überhaupt nicht ertragen!
Aber natürlich sage ich nichts. Ich kann dem Menschen das Rauchen in seinem eigenen Wohnzimmer ja wohl kaum verbieten. Jetzt greift Abby nach der Packung und steckt sich auch eine Zigarette an.
Mir bleibt nur eins: die Flucht in mein Zimmer, also trinke ich meine Tasse schnell leer und frage Abby, wo es lang geht.
„Ich bring dich rauf, Schatz“, sagt sie mir.
Schatz.
Dabei kennt sie mich doch noch keine halbe Stunde. Ich merke, dass ich mich an so Einiges gewöhnen muss.
Abby führt mich schnaufend die Treppe hinauf.
„Hier ist unser Schlafzimmer“, sie zeigt nach rechts auf eine Tür, „und hier das Bad.“
Das Bad ist mit Teppichboden ausgelegt. Teppichboden im Badezimmer – das hätte
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