Verliebt in einen Gentleman
Essen jedoch gar nicht knausrig. Ich staune, wie köstlich alles schmeckt. Anscheinend kocht Abby leidenschaftlich gerne.
Nach dem Essen räumt Abby den Tisch ab, wobei ich ihr helfe.
Glen klappt flink das Campingmobiliar zusammen und schiebt es an die Wand hinter das Sofa.
Dann setzt er sich zufrieden in seinen Sessel. Mit einer Hand greift er zum Zigarettenpäckchen, mit der anderen nach der Fernbedienung des Fernsehers.
Während Abby in der Küche klappert, schaltet er den Fernseher ein, dreht ihn auf volle Lautstärke und zündet sich einen Glimmstängel an.
Ich setzte mich in den anderen Sessel und wundere mich, wie lange ich es in dem Qualm und dem Lärm wohl aushalten werde. Oben wartet nur mein eisiges, einsames Zimmer auf mich.
Abby schaut aus der Küche heraus und brüllt: „Hoffentlich ist es dir nicht zu laut, Schatz, aber Glen hat Probleme mit dem Hören. Mir ist es manchmal auch ein bisschen zu laut, aber ich habe mich daran gewöhnt.“
Es ist zu laut, aber ich schüttle nur matt mit meinem Kopf. Ich kann nicht hier als zahlender Gast einrücken, und ihre Gewohnheiten
ganz durcheinander bringen, denke ich.
Bald gesellt sich Abby zu uns. Die beiden vertiefen sich in das Betrachten einer Daily Soap. Diese hier heißt „Crossroads“ oder so ähnlich, und anscheinend wird sie ausgerechnet heute Abend zum ersten Mal nach der Sommerpause wieder ausgestrahlt.
Abby ist ganz hingerissen. Sie begrüßt den Auftritt eines jeden Darstellers so, als wäre er ein lieber und teurer Verwandter.
„Schau!“, sagt sie zu Glen, „das ist Benny. Ach, er ist mein absoluter Liebling. Und guck, er hat sich überhaupt nicht verändert. Oder findest du, dass er ein wenig abgenommen hat? Und da ist Mary – so hübsch wie immer. Was meinst du, ob sie diesen Jake jetzt bald heiraten wird? Hoffentlich nicht. Er passt kein bisschen zu ihr. Die lassen sich nach einem Jahr bestimmt wieder scheiden, wart' s nur ab!“
Obwohl mir die Augen vom Tabaksqualm tränen und meine Ohren vom lauten Fernsehton dröhnen, finde ich es ganz amüsant mit den beiden Alten und ich halte durch, bis die Serie zu Ende ist. Dann strecke ich mich und sage, dass ich jetzt Schlafen gehen werde.
Abby ist entsetzt.
„Du kannst doch nicht einfach so Schlafen gehen“, sagt sie. „Du musst doch noch ein heißes Getränk bekommen!“
Aha, denke ich, noch eine der Gepflogenheiten in diesem Haus.
Abby springt auf. „Ich mache uns eben allen einen Kaffee.“
Ich wehre ab: „Oh nein, bitte nicht für mich. Wenn ich um diese Uhrzeit Kaffee trinke, liege ich die ganze Nacht wach.“ Das ist doch normal, oder?
Aber Abby sieht mich so an, als sei ich das sechste Weltwunder.
„Hast du das gehört, Glen? Sie kann von Kaffee nicht schlafen. Wo gibt es so was? Ich habe noch nie davon gehört.“ Sie ist ganz ratlos. „Was machen wir nur mit dir? Du MUSST dein heißes Getränk kriegen.“
Ich kapituliere und sage: „Habt ihr vielleicht Kakao?“
Da strahlt Abby über das ganze Gesicht. „Natürlich! Kakao! Warum bin ich nicht selber darauf gekommen? Setz dich wieder hin, Schatz, und ich mache dir eine schöne Tasse warmen Kakao.“
Und so sitze ich wieder im Sofa und schlürfe meinen Gute-Nacht-Kakao. Abby reicht dazu jedem genau ein selbstgebackenes Plätzchen. Ich probiere es. Es schmeckt lecker, zwar etwas hart, aber buttrig und mit einem Hauch Ingwer.
Glen taucht seinen Keks in seinen Kaffee und schielt mich dabei etwas verlegen an, als täte er etwas Unanständiges.
Abby sagt sofort streng: „Du darfst deinen Keks nicht eintauchen. Was soll Lea von dir denken?“
„Das sind Tunk-Kekse“, sagt er verschmitzt, „die muss man eintauchen.“
Ich muss schmunzeln. Aha. Ohne sein falsches Gebiss kommt er mit diesen Plätzchen nicht klar.
„Ist schon okay“, sage ich und tauche meinen Keks jetzt auch in meinen Kakao. Er schmeckt tatsächlich noch besser so.
Glen zwinkert mir verschwörerisch zu, und Abby protestiert noch, aber nur der Form halber, wie man daran merken kann, dass sie dabei nachsichtig lächelt.
Irgendwie habe ich jetzt überhaupt kein Heimweh mehr und ich habe das Gefühl, dass ich es mit diesen beiden alten Menschen am Ende doch aushalten werde.
Aber wie steht es mit dem Bett in meinem Zimmer?
Oh weh!
Also, ich bin keine Prinzessin auf der Erbse, aber dieses Bett-Monstrum ist schon eine Nummer für sich.
Man könnte meinen, dass es weich wie eine reife Pflaume ist, (dabei schlafe ich besser auf einer harten
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