Verliebt in einen Gentleman
sagt Ethan, „man hat dann nämlich gelernt, dass man so etwas im Vorfeld besser planen muss. Ich habe noch nie von jemandem gehört, der sich sein Quartier von seiner Friseuse vermitteln lässt. Das kann nicht gut gehen. “
Ich lege meinen Kopf auf die Seite und
sage: „Nett, dass du dir so viele Sorgen um mich machst. Du bist ja fast genau so schlimm wie Abby und Glen.“
Aber Ethan erwidert: „Ich mache mir nicht so sehr Sorgen wegen des eigentlichen Quartiers, ich mache mir grundsätzliche Sorgen um dich, Lea. So wie du anscheinend einfach so durchs Leben tanzt, das finde ich bedenklich. Bestimmt fällst du dabei auch einmal gehörig auf die Nase.“
Wieder zucke ich mit den Achseln. „Und wenn, ist das doch auch egal. Dann rapple ich mich halt auf und tanze weiter.“
Er betrachtet mich einen Moment sehr nachdenklich, als wollte er ein schweres Rätsel lösen, das auf mein Gesicht geschrieben ist. Dann schüttelt er seinen Kopf und wendet sich wieder seinem Essen zu.
Wir unterhalten uns über dies und das, auch über die Schule und die Kollegen.
Mir fallen tausend lustige Anekdoten aus dem Unterricht ein, die ich alle zum Besten gebe. Immer wieder muss ich darüber lachen. Die Gäste an den anderen Tischen schauen amüsiert zu uns hinüber.
Ethan reagiert eher verhalten. Gelegentlich schmunzelt er ein wenig. Ich versuche, ihn so zum Lachen zu bringen, dass seine herrlichen Grübchen erscheinen, doch es gelingt mir nicht. Aber das ist nicht weiter schlimm. Das passt zu meinem Traumtyp-Bild von ihm. Ich mag es, dass seine Grundstimmung eher ernst ist. Es gibt ihm diesen Hauch von Rätselhaftigkeit, für den ich besonders schwärme.
In meinem Lieblingsroman „Stolz und Vorurteil“ ist der Held Mr. Darcy auch so, und auch Mr. Rochester in „Jane Eyre“ hat seine dunklen Geheimnisse, die ihn unnahbar und mysteriös machen.
Ich denke mir, dass das mit uns wunderbar klappen könnte. Ich wäre die Lustige, Sonnige. Ich würde nach und nach dafür sorgen, dass der herbe Zug um seinen Mund sanfter würde.
Er würde durch seine Ernsthaftigkeit meine Leichtigkeit und Quirligkeit ausgleichen. Wir wären das perfekte Paar.
Hoffentlich denkt er das auch.
Doch dann rufe ich mich innerlich zur Ordnung. Schon wieder bin ich dabei, mir eine gemeinsame Zukunft zurecht zu träumen, die es womöglich gar nicht geben wird. Ich weiß doch nicht, ob Ethan überhaupt in diese Richtung denkt. Für ihn schwärmen genug Frauen. Viele sind wahrscheinlich viel toller als ich. Es leuchtet nicht ein, warum er gerade mich erwählen sollte.
Denk dran, Lea, sagt meine innere Stimme, es ist eigentlich nur ein Zufall, dass ihr beide gerade zusammen unterwegs seid. Er hat dich nicht eigens eingeladen. Vermutlich ist nach dieser Autofahrt alles vorbei.
Aber gleichzeitig keimt in mir eine kleine, feine Hoffnung. Hatte Ethan nicht gesagt, dass er mich besonders anziehend findet, und dass ich anders bin, als die Frauen, mit denen er es bisher zu tun gehabt hat? Es könnte auch für ihn der Anfang von etwas Neuem sein.
Als wir wieder im Auto sitzen und weiter nach Cambridge fahren, macht mich dieser Gedanke ganz nervös.
Ethan ist sehr schweigsam. Vielleicht mache ich ihn auch nervös. Wie toll wäre das denn?
Irgendwann räuspert er sich und sagt: „Du solltest das lassen.“
Ich fahre zusammen. Was meint er? Kann er etwa meine Gedanken lesen? Ahnt er, was für hoffnungsvolle, träumerische Ideen gerade durch meinen Kopf wirbeln?
Vorsichtig frage ich: „Was?“
Er nickt in die Richtung meiner Hände.
„Dieses Knibbeln an deinen Fingern. Du reißt dir damit die Haut ein. Es sieht nicht nur unschön aus, sondern du tust dir damit weh.“
Mir wird ganz warm um das Herz.
Er ist so liebevoll besorgt um mich. So etwas sagt ein Mann doch nur einer Frau, die ihm wichtig ist. Die Anmerkung war so streng und gleichzeitig intim, als ob wir uns schon länger kennen würden. Ich mag die ruhige Autorität, die er ausstrahlt.
Sofort setze ich mich auf meine Hände und höre damit auf.
Wir sind jetzt am Stadtrand von Cambridge. Über die Häuser weg kann man die Zinnen und Türme der Altstadt sehen, wo sich die Colleges befinden.
Ethan fragt mich nach der Adresse meines Quartiers. Ich lese ihm vor: „Somerset Close“.
„Ach du meine Güte“, sagt er, „das ist viel zu weit draußen. Da musst du ja mindestens zwanzig Minuten mit dem Bus fahren, wenn du in die Innenstadt willst.“
Oh je, darüber habe ich gar nicht
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