Verliebt in einen Gentleman
soll ich wo sein?“
„Ich hole dich morgen Abend
hier ab, so gegen sechs. Ich glaube, es gibt vorher noch einen Sherry in der Wohnung seines Tutors. Da werden wir selbstverständlich auch dabei sein.“
Oh Mann! Ich kann mein Glück gar nicht fassen.
Als sein Auto sich Richtung Stadtmitte entfernt, schwebe ich praktisch auf die Haustür von Emmys WG zu.
Es gibt keinen Klingelknopf, nur einen rustikalen Türklopfer. Ich muss ihn ein paar Male herunterfallen lassen, bevor die Tür von innen aufgezogen wird.
Ein kleiner Kerl steht vor mir mit wirren kurzen Haaren. Er sieht so aus, als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen, obwohl es Nachmittag ist.
Er gähnt mir in das Gesicht, bevor er sagt: „Hallo. Was kann ich für dich tun?“
„Ich bin Lea König. Emmys Schwester Mandy hat arrangiert, dass ich hier für ein paar Tage wohnen darf.“
Er kratzt sich seinen ungekämmten Kopf und sieht mich zweifelnd an. „Hm“, sagt er, „mir hat wieder keiner was gesagt, wie immer.“
Ich stehe einfach nur da und versuche so freundlich auszusehen, wie es nur geht.
„Okay“, sagt er jetzt, „dann komm halt rein.“ Er geht wieder in das Haus und eine Treppe hinauf.
Ich zögere. Soll ich hinter ihm hergehen? Was jetzt?
Er ruft über die Schulter: „Mein Name ist Bob. Emmy ist bei der Arbeit – sie kellnert in einem Café in der Stadt. Nancy ist glaube ich in der Uni.“
Jetzt hält er am oberen Treppenabsatz und schiebt eine Tür auf.
„Hier befindet sich deine Zimmerflucht“, sagt er feixend.
Sehr lustig.
Das Zimmer ist furchtbar, furchtbarer als Abby es in ihren schlimmsten Träumen ausgedacht hätte. Wie gut, denke ich auch, dass Ethan das nicht sehen kann.
Dies ist keine Abstellkammer, eher eine Besenkammer. Da ist nur eine seltsame Liege, die nach Gefängnispritsche aussieht, mit einer verdächtig dünnen und durchgelegenen grauen Matratze. Rundherum ist kein Platz zum Treten, weil alles mit Gerümpel vollgestellt ist; einem Bügelbrett, Umzugskartons mit Inhalt, Stiefeln und Schuhen, Putzzeug, einem paar Skier, einem zerbrochenen Stuhl, und, und, und.
Es riecht stockig und alles ist mit einem dicken Staubfilm überzogen.
„Nett ist das hier“, sage ich ironisch, aber es hört mich keiner, weil Bob schon wieder verschwunden ist, vermutlich zurück in sein Bett.
Ein winziges Fenster befindet sich irgendwo oben in der Wand. Zum Glück wenigstens das, denke ich.
Na ja, ich wollte es ja nicht anders. Seufzend stelle ich meine Reisetasche ab und suche die Bettwäsche heraus. Mit Abbys frischduftender Wäsche gelingt es mir, das Lager so herzurichten, dass es nicht mehr ganz so gruselig wirkt.
Dann suche ich das Bad auf, dessen Tür offen steht. So muss ich wenigstens nicht erst danach suchen, und am Ende noch den unwiderstehlichen Bob bei seinem Schönheitsschlaf aufschrecken.
Das Bad wäre ein Foto wert. So etwas habe ich noch nicht gesehen, dabei kommt man als Studentin im Laufe eines Studiums in die verschiedensten WGs. Jede freie Fläche ist mit Kram besetzt, mit Plastikflaschen, ekligen Rasierapparaten, leeren und halbleeren Kosmetikflaschen und Tiegeln, und so weiter. Wenn ich die Toilette nicht so dringend benutzen müsste, würde ich dankend ablehnen, denn sie ist bestimmt ein halbes Jahrhundert nicht mehr geputzt worden. Das gilt übrigens auch für das Waschbecken und die Badewanne.
Ich kehre in das Zimmer zurück, setzte mich auf das Bett und blase Trübsal. Was mache ich nur hier? Wie soll ich den restlichen Abend verbringen?
Resolut stehe ich auf, greife nach meinem Mantel und meiner Handtasche und verlasse das Haus.
Ich werde nach Cambridge reinfahren, am besten mit dem Bus. Dort kann ich etwas zu Abend essen und ein wenig durch die Stadt schlendern.
Auf der Herfahrt habe ich schon die Bushaltestelle gesehen. Sie befindet sich an der Hauptstraße, von der die Somerset Close abzweigt.
Sicher fährt der nächste Bus früher oder später vorbei.
Ich stehe und warte. Und warte. Und warte.
Da kommt eine kleine alte Frau an einem Stock vorbeigewackelt.
„Entschuldigen Sie“, frage ich, „wann fährt der nächste Bus nach Cambridge hinein?“
„Da wo du stehst überhaupt nicht, Schatz“, sagt sie grinsend und geht einfach weiter.
Ich gehe hinter ihr her und zupfe an ihrem Ärmel.
„Wie meinen Sie das?“
Jetzt grinst sie noch breiter. Einige Zähne fehlen in ihrem Mund. „Weil du auf der falschen Straßenseite stehst. Du musst rüber zur anderen Haltestelle.“
Ach du
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