Verliebt in einen Gentleman
ich nicht“, sage ich jetzt sehr energisch, husche um das Auto herum, öffne die Beifahrertür und lass mich auf den Sitz fallen.
„Hallo Ethan“, sage ich nur, und dann: „kannst du bitte mal ganz schnell losfahren?“ Ich schlage die Tür zu.
Ethan schmunzelt.
„Ich wusste gar nicht, dass du deine Eltern gleich mit nach England gebracht hast“, sagt er amüsiert.
Ich lächele gequält.
„Du hast recht“, sage ich, „man könnte wirklich meinen, dass es so sei. Die beiden behandeln mich so, als sei ich ihre Tochter. Neulich hat mich jemand sogar für ihre Tochter gehalten. Abby war ganz selig.“
„Bestimmt. Wenn man die alte Krähe so ansieht, würde man ihr so eine hübsche Tochter nicht zutrauen.“
Ich erstarre.
Das war mal ein sonderbares Kompliment. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Natürlich freut es mich, „hübsch“ genannt zu werden, aber der Hieb gegen Abby tut mir so weh, als ob es mir selber gegolten hätte.
Ich sehe Ethan unsicher von der Seite an. Er spürt meinen Blick und lächelt zurück. Ich schmelze sofort dahin. Wenn Ethan lächelt, bilden sich auf beiden Seiten seines Mundes lange tiefe Grübchen. Wahnsinnig schön.
Das mit Abby war ihm wohl nur so herausgerutscht, denke ich. Wenn man sie nur so sieht, und nicht ihr liebes Wesen kennt, da kann einem so etwas schon in den Sinn kommen.
Ethan fährt los. Ich zucke zusammen und drücke mich tief in den Sitz.
„Was ist?“, fragt er.
Ich habe die Hände vor die Augen gedrückt und schiele zwischen den Fingern durch.
„Ich kann mich nicht daran gewöhnen, dass ihr auf der falschen Straßenseite fahrt“, sage ich. „Ich habe ständig das Gefühl, dass jemand uns frontal anfahren wird.“
Er lacht. „Du kannst ganz unbesorgt sein. Ich bringe dich schon sicher an das Ziel.“
Meine Augen ruhen auf seinen starken großen Händen, die ruhig und kompetent auf dem Lenker liegen. Ich lasse meine Arme sinken und versuche, mich zu entspannen.
Wir haben Glück, ich habe Glück, und das Wetter für unsere Fahrt ist traumhaft schön. Ein strahlend blauer Himmel wölbt sich über uns. Die Luft ist so klar, dass man tief in die Landschaft sehen kann. Ganz in der Ferne sieht man die weißen Punkte, wo Schafe auf grünen Wiesen grasen. Die Laubbäume haben sich nun alle verfärbt und leuchten in den verschiedensten Goldschattierungen.
Ich seufze beglückt und versuche, all die Schönheit auf allen Seiten gleichzeitig zu sehen.
Ethan sagt: „Es gefällt dir wohl gut bei uns.“
Ich sage: „Oh ja. Ich war zwar schon vor zwei Jahren für ein Auslandssemester in Lancaster. Da ist es auf seine Art auch nett, aber ich war gar nicht darauf vorbereitet, wie schön diese Ecke von England sein würde.“
„Das liegt nur am Wetter“, sagt er, „bisweilen kann es hier auch furchtbar sein.“
Er blickt konzentriert auf die Straße. Wir sind jetzt von der Motorway abgefahren, und es geht über kurvenreiche Landstraßen, die eng und unübersichtlich sind.
Ich nutze die Gelegenheit, um ihn ungeniert zu betrachten. Wieder muss ich denken, dass Ethan so hundertprozentig meinem Ideal entspricht, als hätte ich ihn selber aus einem Baukasten für Traumtypen genau nach meinen Vorstellungen zusammengesetzt.
Er hat diese wunderbaren geheimnisvollen Augen. Er hat eine tolle Figur. Seine Locken sind einfach hinreißend. Er hat das Fenster halb herunter gekurbelt, und sie tanzen im Fahrtwind. Ab und zu streicht er sie mechanisch zurück. Wie glücklich müsste man sein, wenn man an der Seite so eines Mannes sein Leben verbringen dürfte!
Vielleicht, vielleicht, denke ich, habe ich eine klitzekleine Chance, diejenige zu werden. Es ist so wichtig, dass ich einen guten Eindruck auf ihn mache.
„Zufrieden?“, fragt Ethan jetzt.
Ich werde rot. „Womit?“, frage ich.
„Mit mir. Denk nicht, dass ich nicht merke, wie du mich musterst.“
Ich gucke schnell weg und aus dem Fenster. Das ist mir jetzt doch peinlich.
„Entschuldigung“, sage ich, „ich kenne dich halt noch nicht so gut und war neugierig.“
„'Noch nicht' höre ich gerne“, sagt er, „das hört sich so an, als würdest du mich gerne besser kennenlernen.“
Oh ja, denke ich, du ahnst nicht wie sehr.
Nach einem kurzen Schweigen unterbricht Ethan die Stille und sagt: „Mir geht es jedenfalls mit dir so. Ich mag dich. Du bist nicht nur hübsch, sondern hast so einen besonderen Esprit. Der wirkt sehr anziehend.“
Wow! Dieses Kompliment haut mich so ziemlich aus den
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