Verliebt in einen Gentleman
lachen.
Es spricht für Jens, dass er sich nicht davon beeindrucken lässt. Stattdessen fängt er sich geschickt und schiebt das Boot mit der Bootsstange zurück in die Mitte des Flusses. Dabei macht er wieder das rührend konzentrierte Gesicht, dass er beim Italiener gemacht hat, als er an meinen Ohrringen gebastelt hatte. Jetzt gelingt es ihm, das Boot ein Stück entlang zu schieben. Er macht das erstaunlich geschickt. Ein paar Male landen wir wieder fast im Schilf, aber allmählich hat Jens den Dreh raus, und es geht immer besser.
Nach und nach entspanne ich mich. Ich beginne, diese Bootsfahrt richtig zu genießen, wer hätte das gedacht? Ab und zu fängt Jens meinen Blick und er zwinkert mir vergnügt zu. Ich versuche, ihn zu ignorieren, aber es fällt mir schwer. Irgendwie verbreitet Jens so eine gelassene Heiterkeit, die ziemlich ansteckend ist.
Der Fluss ist eigentlich nicht viel größer als ein breiter Bach. Das Wasser ist ruhig, bis auf kleine, glitzernde Wellen, die am Bootsrumpf vorbei plätschern. Das Morgenlicht fängt sich darin und lässt sie funkeln. Gelegentlich schwimmen ein paar Enten friedlich schnatternd an uns vorbei. Manche sitzen am Ufer und putzen ihr Gefieder. Jetzt nähern wir uns den Colleges. Sie liegen majestätisch im Morgendunst da, inmitten ihrer gepflegten Rasenflächen. Hier und da sieht man Gruppen von Studenten, auch mit ihren malerischen Capes, die zu ihren Veranstaltungen eilen. Ich nehme meine Kamera heraus und mache Fotos. Dann sitze ich einfach wieder nur da und schaue verträumt in die Gegend. Trauerweiden säumen das Ufer. Ihre langen Zweige hängen bis in das Wasser und bewegen sich mit unserer Bugwelle. Buntes Herbstlaub treibt an uns vorbei. Ab und zu fallen Blätter auf uns nieder wie Konfetti.
„So“, sagt Jens auf einmal, „jetzt bist du dran, Lea.“
Ich schrecke aus meiner Träumerei auf. „Wie, 'dran'? Was soll das heißen?“
„Du willst mir doch wohl nicht weismachen, dass du nicht längst die Lust verspürst, es auch selber einmal zu versuchen“, sagt Jens.
Stimmt eigentlich. Warum nicht? So wie Jens das Boot fährt, wirkt es kinderleicht. Ich glaube schon, dass ich das auch kann.
Stange in den Untergrund stecken, mit den Händen daran entlanggreifen, bis man an das Ende angekommen ist, Stange umsetzen, weitergreifen.
„Okay“, sage ich, „Mannschaftstausch. Du setzt dich und ich übernehme das Navigieren.“
Wir balancieren vorsichtig aneinander vorbei. Jens lässt sich auf das Polster sinken und ich lege los.
Aber, oh je, ich hätte nicht gedacht, dass das reine Stehen auf so einem schwankenden Untergrund so knifflig sein könnte. Ähnlich wie.Jens vorhin, mache ich erst ein sehr gewagtes Tänzchen, und diesmal ist er derjenige, der herzlich lacht.
Ich runzele meine Stirn und konzentriere mich. Direkt zum Affen machen wollte ich mich jetzt nicht, besonders nicht, nachdem Jens die Aufgabe so souverän gemeistert hat.
Außerdem sind wir jetzt unmittelbar im Bereich der Colleges, und am Ufer schlendern Passanten vorbei, denen ich auch kein witziges Schauspiel liefern möchte.
Wider Erwarten läuft es ganz gut. Ich komme in den Rhythmus und wir gleiten ganz sanft weiter. Ich werfe Jens einen triumphierenden Blick zu. Er nickt anerkennend.
Doch dann geschieht es. Irgendwie verhakt sich die Bootstange im weichen Untergrund. Das Boot gleitet jedoch unerbittlich weiter. Was jetzt? Ich zerre verzweifelt an dem störrischen Ding, da verliere ich meine Balance, aber so schlimm, dass ein Tänzchen nichts mehr nützt. Würdelos quiekend falle ich um. Jens erkennt die Situation blitzschnell und springt auf, um mich zu retten. Tatsächlich stolpere ich geradewegs in seine Arme, die er sehr fest um mich schlingt. Wir fallen gleichzeitig auf die Bank und zum großen Glück nicht ins Wasser. Die ganze Situation war so heikel, dass ich vor Erleichterung einen Lachanfall bekomme. Jens muss mitlachen, dabei hält er mich weiter umschlungen – ziemlich fest sogar, wie ich finde. Das wollte ich jetzt auch nicht so gerne. Am Ende wäre das Essen zu zweit unverfänglicher gewesen, denk ich. Sanft löse ich mich aus seiner Umarmung und sehe mich um.
Mist! Genau das ist passiert, was ich befürchtet hatte. Wir befinden uns unmittelbar an einen der malerischen Brücken, die sich über den Fluss spannen. Am Geländer über uns sehe ich eine ganze Reihe von Köpfen mit lachenden Gesichtern. Anscheinend haben wir die Leute prächtig unterhalten. Ein Kopf dreht
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