Verliebt in einen Gentleman
finde auch ein Glas mit Instantkaffee und etwas Milch.
Nach diesem kargen Frühstück ziehe
ich mir ein paar Gummihandschuhe an und attackiere das schmutzige Geschirr. Nach etwa einer halben Stunde sieht die Küche annähernd ordentlich aus. Wenn ich hier schon gratis wohnen darf, kann ich mich ja dafür revanchieren.
Heute früh werde ich mir mal dieses Museum ansehen, von dem Ethan erzählt hat. Es klingt ganz witzig, und ich will ihm am Abend erzählen können, dass ich auf seinen Rat gehört habe und drin war.
Der Weg gestern war gar nicht sooo lang gewesen. Ich beschließe, wieder das Fahrgeld für den Bus zu sparen und zu Fuß in die Stadt zu wandern.
Bald gehe ich die Hauptstraße entlang, den Mantelkragen hochgeschlagen und die Handtasche unter den Arm geklemmt.
Die Autos zischen an mir vorbei. Ein wenig beneide ich die Fahrer. Die sind in fünf Minuten da, wohin ich jetzt wieder mehr als eine halbe Stunde brauchen werde.
Egal, das Wetter ist heute wieder schön. Nur empfindlich kalt ist es. Ich schiebe meine Hände tiefer in die Manteltaschen und grabe mein Kinn in den Mantelkragen ein.
Da hält auf einmal ein Auto neben mir. Wahrscheinlich jemand, der nach dem Weg fragen will, denke ich, und schaue durch das Beifahrerfenster hinein.
Da sitzt jemand, der mich freudig anstrahlt.
Jemand, der mir auf einma bekannt vorkommt, vielleicht sogar ein wenig vertraut.
„Lea“, ruft er, „hurra! Endlich habe ich dich gefunden. Komm, steig ein. Ich bringe dich in die Stadt.“
Ich reiße die Beifahrertür auf und setze mich in den Sitz.
Ich bin völlig platt.
Hinterm Lenker sitzt Jens.
„Was machst du denn hier?“, frage ich entgeistert.
„Ich bin in den Semesterferien nach England gekommen. Ich wollte doch mal sehen, wo du dich so herumtreibst.“ Jens lacht mich beglückt an. Offensichtlich freut er sich riesig, mich zu sehen.
Und ich? Ich bin eher irritiert. Das Ganze kommt mir wie ein Fall von Stalking vor. Ich mag es nicht, wenn man mich so verfolgt.
„Woher wusstest du überhaupt, wo du mich finden würdest?“, frage ich misstrauisch.
Er sieht den ärgerlichen Zug in meinem Gesicht.
„Ach Lea, bitte sei mir nicht böse. Ich wollte dich nicht schocken, aber ich habe deine Beiträge bei Facebook gelesen. Da hast du auch nicht damit hinter dem Berg gehalten, dass du nach Cambridge fährst.“
„Ja, aber Cambridge ist relativ groß. Wieso wusstest du, in welcher Gegend ich wohne?“
„Tja, was du nicht weißt, Lea, ist dass wir eine gemeinsame Facebook-Freundin haben. Anja Winter. Die hatte deine Adresse.“
Anja. Stimmt. Ich hatte meiner Kommilitonin meine Adresse gegeben, falls irgendwelche Post für mich in der WG ankommen sollte, die sie an mich weiterleiten sollte.
Jens erzählt weiter: „Na ja, dann war ich erst in diesem Gatingstone und habe bei deinen Vermietern nachgefragt – übrigens ganz reizende Leute – und die haben mir deine Adresse in Cambridge gesagt. So einfach war das.“
Viel zu einfach. Ich hätte ihn nicht als Freund adden dürfen. Jetzt habe ich den Salat.
Okay, Jens ist schon ein netter Kerl und ich werde ihm nie vergessen, dass er mich in Hohensyburg vor dem Verhungern und Erfrieren gerettet hat, aber sein Auftauchen hier passt so ganz und gar nicht in mein momentanes Konzept.
Kühl sage ich: „Na fein, jetzt hast du mich gefunden. Nett, nicht? Dann sei so lieb und bring mich in die Stadt und dann gehen wir wieder unsere getrennten Wege.“
Jens macht ein bedrücktes Gesicht. Dabei sieht er so rührend aus, dass ich merke, wie meine Härte schon dahinschmilzt. Okay, irgendwie ist es schon schmeichelhaft, dass er die weite Reise gemacht hat, nur um mich zu sehen.
„Bist du mir so böse?“, fragt er jetzt kleinlaut. „Oh je, das wollte ich nicht. Ich hatte mir sogar erhofft, dass du dich ein klitzekleines bisschen freuen würdest, ein vertrautes Gesicht aus der Heimat zu sehen.“
Ich lächle schwach. „Also, sooo wahnsinnig vertraut ist dein Gesicht mir nicht, Jens. Darf ich dich daran erinnern, dass wir nur einen einzigen Abend mit einander verbracht haben?“
„Genau deswegen ist es wichtig, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen“, sagt der unerschütterliche Jens, „damit sich das ändert.“
„Na super!“, sage ich nur, schüttle den Kopf und starre zur Frontscheibe hinaus.
Jens startet den Motor seines Golfs, mit dem er die weite Reise hierher gemacht hat.
„Also, liebe Lea“, sagt er jetzt, „lass mich wieder den Chauffeur
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