Verliebt in einen Gentleman
verpickelter Tanzpartner kann meinem Ethan nicht das Wasser reichen.“
Auf einmal ertönt das vertraute „Plöng!“, das ankündigt, dass jemand mit mir chatten will. Unten am Rand steht eine Nachricht.
„Hi. Lea! Nett dich hier mal anzutreffen. Geht es dir gut?“
Ich erstarre. Oh nein! Die Nachricht stammt von Jens. Meine Finger schweben über den Tasten. Soll ich antworten oder schnell weg-klicken? Nun, meine Stimmung an diesem grauen, einsamen Tag lässt mich weich werden. Ich tippe: „Ja, echt gut. Und dir?“
Er tippt: „ :-( Rate mal, warum.“
Spätestens jetzt ist es höchste Zeit, die Kommunikation abzubrechen, aber bevor ich weiß, was geschieht, tippen meine Finger: „Keine Ahnung.“
Er tippt: „Ha, ha.“ Dann folgt die Adresse zu einem Link. Ich klicke ihn an. Er öffnet ein Bild, das ein Pärchen in einem Punt auf dem River Cam zeigt. Das Boot spiegelt sich mitsamt dem Weidenbäumen am Ufer im Wasser. Das Paar küsst sich.
Ich schreibe: „Selber Ha-ha! Träum weiter.“
Jetzt folgen mehrere Links im Blitztempo. Wo holt er die alle nur so schnell her? Einer führt zur Homepage vom Casino in Hohensyburg. Einer zeigt eine Stretchlimo in der Nacht. Auf ihrem blanken Lack sieht man die Reflexe von Neonlichtern. Einer geht zu dem italienischen Restaurant, in dem wir an dem Abend gegessen haben. Einer zeigt ein Bild von zwei nackten Füßen. Jetzt muss ich doch schmunzeln. Einer führt zu dem Wikipedia-Artikel, der die Kirche St. Peter's in Cambridge beschreibt.
Dann folgen die Worte: „Tu ich auch. Das kann wohl keiner mir verbieten.“
Dann ist Sendeschluss. Jens hat sich bei Facebook abgemeldet.
Ich sitze noch ein wenig da und starre auf den Bildschirm. Obwohl ich diesen Chat nicht wirklich wollte, tut es mir fast leid, dass er nun vorbei ist. Auf einmal war ich für einen Moment nicht ganz so einsam gewesen, wie bisher an diesem langen, grauen Tag. Irgendwie süß von Jens, dass er so viele Links zu „uns“ parat hatte. Schade, dass wir so ganz und gar nicht zusammen passen.
Ich klappe den Laptop zu und schau auf meine Armbanduhr. Zeit, nach Hause zu gehen und was anderes anzuziehen. In etwa einer halben Stunde erwartet mich Alice zu Besuch. Auf dem Weg zum Walnut Cottage knurrt mir der Magen und ich werde daran erinnert, dass ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen habe. Als ich die Tür zum Cottage aufschließe, eilt Abby aus der Küche heraus.
„Wo warst du nur so lange, Schatz?“, fragt sie mich aufgeregt, „Wir haben uns schon die größten Sorgen gemacht. Glen wollte schon bei der Polizei anrufen.“
Glen, der in seinem Sessel eingeschlafen war, hebt jetzt ein Augenlid, lächelt mir verschlafen zu und schläft weiter. So ganz nehme ich Abby diese Aussage nicht ab, aber sie wirkt tatsächlich deutlich gestresst. Sie ringt regelrecht ihre Hände und fragt schrill: „Stell dir vor, es würde dir etwas Schlimmes zustoßen – was sage ich dann deinen Eltern?“
Oh Mann! Mir wird das alles nun doch ein bisschen viel. Ich muss an meine Zeit in Lancaster denken, als ich bis in die frühen Morgenstunden Party gemacht habe. Oder an mein Auslandssemester in der Türkei. An den einen Abend, als ein betrunkener Einheimischer mir auf meinem Heimweg aus der Disko an den Po gefasst hatte, und ich so weit ausgeholt hatte und ihn geohrfeigt hatte, dass er flach auf den Hinterkopf fiel, übrigens sehr zur Erheiterung seiner Saufkumpane.
Und hier in diesem verschlafenen Nest macht sich meine Wirtin Sorgen, weil ich um sieben Uhr Abends noch nicht im Haus bin!
„Abby“, sage ich mit Engelsgeduld, „du vergisst, dass ich alt genug bin, um auf mich selbst aufzupassen. Wenn du die Polizei tatsächlich angerufen hättest, hätten die nur einen Lachanfall bekommen, das ist sicher.“
Aber Abby sieht mich besorgt an. „Ich würde so gerne genau wissen, wann du zurückkommst. Dann muss ich nicht immer so viel Angst ausstehen.“
Ich erwidere darauf nichts und gehe in mein Zimmer. Dort ziehe ich mich um – einen netten Rock, eine hübsche
Bluse,
kämme mir die Haare und gehe wieder hinunter.
Abby schaut zum Wohnzimmer heraus.
„Wie, du gehst nochmal fort? Glen, sie geht nochmal aus. Es ist schon ganz dunkel.“
Glen murmelt nur: „Tschüss, Schatz. Hab einen netten Abend.“
Ich ziehe schnell die Haustür zu, höre aber noch durch die einmal-verglasten Fenster, dass Abby mit ihrem Mann schimpft. Was würde sie wohl dazu sagen, wenn sie wüsste, dass ich mir ein neues
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