Verliebt in einen Gentleman
zum Lappen greifen. Ich sage dir ganz ehrlich: Ich bin froh, dass sie jetzt auszieht. Am Ende hätte ich ihr noch von mir aus gekündigt.“
„Oh, das tut mir leid zu hören“, sage ich artig, obwohl ich in meinem Herzen denke, dass diese Entwicklung nur zu meinem Vorteil ist. Wenn das Ambiente im oberen Stockwerk auch so gepflegt ist, bin ich wild entschlossen, hier so bald wie möglich einzuziehen.
Ist es, wie ich gleich erfahren werde, doch nach dem Quiche gibt es noch eine große Portion Vanilleeis mit heißen Himbeeren und Schlagsahne. Als Topping hat Alice zerdrückte Baisers oben drauf gekrümelt.
„Das ist zwar ungezogen“, sagt sie und zwinkert mir zu, „aber teuflisch lecker.“
Aha, denke ich mir, soweit die Behauptung, sie „picke nur wie ein kleiner Vogel“. Ein kleiner Vogel würde sich an so einem Dessert ganz schön den Magen verrenken.
Jedenfalls folge ich nachher Alice die Treppe hinauf. Dort zeigt sie mir das Zimmer, in dem die klebrige Maura bis vor Kurzem noch gewohnt hat. Hier herrscht die Farbe Taubenblau vor. Teppichboden, Möbel, Vorhänge – alles ist einem Farbthema unterworfen. Wahnsinnig schön.
Das Bad dazu ist ebenfalls taubenblau. Leider gibt es wieder mal keine Dusche, aber daran habe ich mich in England allmählich gewöhnt.
„Dieses wäre dann dein Bad“, sagt Alice. „Meines ist hier über den Gang, neben meinem Schlafzimmer.“
Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ihr komplettes Schlafzimmer in altrosa und blassgrün eingerichtet ist.
Ich werfe einen Blick in ihr geräumiges Privatbad mit sonnig gelben Fliesen.
Alice fragt mich: „Und? Gefällt es dir?“
Ich atme beglückt aus.
„Ja, es ist wunderschön. Ich könnte mir gut vorstellen, hier zu wohnen.“
Alice öffnet die Tür zu ihrem Büro. Dort ist neben dem Schreibtisch noch eine niedrige Ledercouch und der Fernseher.
„Gut“, sagt sie, „dann setze dich eben hier hin. Ich hole uns einen Piccolo und wir stoßen darauf an, dass du demnächst meine neue Mieterin bist. Ich freue mich!“
Als Alice mit zwei Gläsern und einer Flasche zurückkommt, sagt sie: „Und wie ist es mit dir?“
Ich runzle die Stirn. „Ich verstehe nicht.“
„Na, hast du auch einen Freund? Vielleicht zu Hause in Deutschland?“
„Hm“, sage ich errötend, „noch nicht wirklich, aber es gibt da jemanden...“
„Etwa hier in England?“
Verdammt, jetzt fragt sie mich genauso aus wie die Lanes. Das irritiert mich schon. Aber ich will nicht die gute Stimmung zerstören, also sage ich nur: „Es gibt jemanden, mit dem sich gerade etwas zu entwickeln scheint. Es könnte ernster werden.“
„Wie nett“, sagt Alice, „genieße es nur. Ich wollte mich auch nicht irgendwie einmischen. Im Prinzip geht es mich nichts an.“
Genau, denke ich, danke.
Alice spricht weiter: „Es ist mir nur wichtig, etwas im Vorfeld zu klären. Du musst wissen, dass ich keinen Herrenbesuch dulde. Als alleinstehende Frau muss ich ein wenig auf meinen Ruf achten. Hier in unserer Straße beobachtet man sich gerne diskret oder weniger diskret. Da möchte ich kein Futter für den Dorfklatsch liefern.“
Ich nicke, auch wenn ich insgeheim enttäuscht bin. Jetzt da Ethans und meine Romanze sich auf der Kippe zur großen Leidenschaft befindet, wäre das hübsche Schlafzimmer in Taubenblau der perfekte Rahmen dazu.
Alice sieht mich streng an. „Und das muss auch gelten, wenn du hier alleine bist, und ich in London. Du wirst hier nämlich ziemlich viel alleine sein, das macht halt mein Beruf. Im Großen und Ganzen steht dir das Haus uneingeschränkt zur Verfügung. Du darfst auch gerne einmal eine Freundin zum Lunch einladen, musst es aber selber zubereiten.“
„Prima“, sage ich, „ich freue mich auf die Ruhe. Bestimmt kann ich hier besser lernen, als bei den Lanes. Gibt es hier auch WLAN?“
„Ja, klar“, sagt Alice, „das Passwort lautet Rosealice.“
Ich lehne
mich in das weiche, knautschige Sofa zurück, nehme einen Schluck vom Sekt und denke mir, was für ein Glückskind ich doch bin. Ich ahne, dass jetzt eine bessere Zeit für mich beginnt.
Als ich etwa eine Stunde und noch einen Prosecco später mit leicht kribbligem Kopf durch die stillen, dunklen Straßen von Gatingstone gehe, überlege ich mir, wie ich den Lanes die Nachricht von meinem Umzug am besten vermittle. Es wird nicht einfach.
Am nächsten Morgen beschließe ich, nicht lange zu fackeln. Besser kurzen Prozess machen und die Alten überrumpeln, als ein langes,
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