Verliebt in einen Unbekannten
schrieb Joanna auf MSN , sobald ich mich eingeloggt hatte (unter dem originellen Namen »First Date Aid Charlotte«). Offensichtlich befand sie sich in einem ähnlichen Zustand wie Iain. Ich grinste.
First Date Aid Charlotte: Hi, Jo.
FluffyJo 79: Hi!!!!!!!!!!!!!!!!
First Date Aid Charlotte: Ich denke, es ist das Beste, du wartest bis morgen mit deiner Antwort an Iain, okay? Liebe GrüÃe, Charlotte
FluffyJo 79: SUPER!!! Ich weiÃ, dass du recht hast, aber ich würde ihm so gerne antworten, am liebsten SOFORT!!!!
First Date Aid Charlotte: Das ist der Grund, weshalb du mich brauchst! ï
Sicherheitshalber fügte ich den Smiley ein, obwohl so etwas im Grunde gegen jegliche meiner Ãberzeugungen verstieÃ.
FluffyJo 79: Danke, Charlotte!! Ohne dich würde dieses Date niemals zustande kommen!! Jetzt bleibt mir noch Zeit, loszuziehen und mir ein paar Klamotten zu kaufen, auÃerdem gehe ich am Wochenende zum Frisör! Wahnsinn!
First Date Aid Charlotte: Nein! Kauf dir keine Klaâ¦
Ich brach mitten im Wort ab und löschte meine Antwort. Manchmal musste ich mich zwingen, daran zu denken, dass ich nicht mehr war als ein einfacher Ghostwriter, kein Singlecoach.
Der Modus Operandi, den ich für First Date Aid eingeführt hatte, war simpel: Wenn ein Klient Kontakt mit mir aufnahm, machte ich mich, so gut ich konnte, mit ihm vertraut, dann richtete ich einen Internet-Dating-Account für ihn ein. Alle Kunden hatten uneingeschränkten Zugriff auf ihr Profil, damit sie die hin- und hergehenden E-Mails verfolgen konnten. Bislang funktionierte das wunderbar, doch Jo war so aus dem Häuschen wegen Iain, dass sie mir gefühlte tausend Mails pro Tag schickte, um den Stand der Dinge zu kommentieren.
FluffyJo 79: Du glaubst also nicht, dass er das Interesse verliert, wenn ich mit meiner Antwort bis morgen warte???
Ich warf einen Blick auf Iains Profil. Er war online.
First Date Aid Charlotte: Nein, ich denke nicht, dass er das Interesse verlieren wird. Geh jetzt ins Bett. ï
Ich schloss das Nachrichtenfenster und wendete mich wieder meinem Posteingang zu. Eine neue Klientin, Shelley Cartwright, hatte mir während des Abendessens geschrieben. Ich lieà den Mauspfeil über ihrem Namen schweben und spielte mit dem Gedanken, ihre Nachricht erst morgen zu lesen. Es war schon spät, und ich war müde.
Natürlich klickte ich doch darauf und stöhnte. Es war, als stünde ich einem wütenden Bären gegenüber.
Hallo,
ich habe die Anzeige im Evening Standard gelesen. (Der Evening Standard war Sams jüngster Triumph gewesen; seinetwegen hatte ich lediglich ein Sechstel der üblichen Anzeigengebühr bezahlt.) Da ich einfach zu beschäftigt bin, um meine Zeit im Internet zu vertrödeln, würde ich euch gerne für zwei Wochen buchen. Ich habe mir auf love.com zwei passende Männer ausgesucht, Stuart und William; die Links zu ihren Profilen findet ihr im Anhang. Könntet ihr bitte Dates mit den beiden ausmachen, soweit sie verfügbar sind? Ich könnte es mir am 26. und am 29. September einrichten. Am besten passen würde es mir in der Canary Wharf, in der Nähe meiner Arbeit, oder an der London Bridge, dort wohne ich. Ich weise darauf hin, dass in den Nachrichten, die ihr in meinem Namen versendet, keinerlei Kürzel (kein Küsschen-X, kein Umarmungs-O) oder Schimpfwörter verwendet werden dürfen. Bitte schickt mir die Rechnung und den Vertrag per E-Mail zu. Ihr könnt das Foto aus dem Anhang für meinen Online-Dating-Account verwenden, auÃerdem habe ich eine kurze Vita beigefügt.
Mit freundlichen GrüÃen
Shelley
Ich lachte in mich hinein. »Ich bin einfach zu beschäftigt, um meine Zeit im Internet zu vertrödeln«? Warum verspürten so viele meiner Klienten das dringende Bedürfnis, mich wissen zu lassen, dass sie weit über die Online-Flirtereien erhaben waren? Ich zählte schon gar nicht mehr mit, wie viele Mails von dieser Art ich bekam. Wem versuchten sie etwas vorzumachen? Hey, du, Internet-Frau, ich bin mit meiner Partnersuche komplett gescheitert, bringe nicht mal mehr ein Internet-Date zustande, und weiÃt du was? Das ist DEINE Schuld. Schreib ein paar E-Mails für mich, und ich werfe dir ein paar Pennys zu. PS : ICH BIN ETWAS BESSERES ALS DU .
Aber Geschäft war Geschäft. Und Charley, die Powerfrau, liebte Herausforderungen.
Liebe Shelley,
danke, dass du dich mit deinem Anliegen
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